Am dritten Adventssonntag im Jahr 2011 waren bis auf die Tübinger Gemeinden alle Glaubensgeschwister des Bezirks nach Herrenberg zum Gottesdienst eingeladen.
„Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“ (1. Petr 5,8)
So lautete das Bibelwort, das dem Gottesdienst zugrunde lag. „Seid nüchtern und wach - was sagt uns das? Wir wissen, Christus blieb kein Kind, er lehrte, tat Wunder, starb den Opfertod und ist wiederauferstanden. Seine Verheißung bestimmt den Glauben neuapostolischer Christen: Jesus wird wiederkommen und die Seinen zu sich nehmen. Nüchtern und wachend bedeutet, die Dinge realistisch zu sehen, dazu Manches aus der Distanz, anderes aus der Nähe betrachten, um ein klares Bild zu bekommen. Sich bewusst machen - der Mensch lebt nicht ewig, was fängst du mit deiner Zeit an? Sie dazu nutzen, Gottes Willen zu tun, auch wenn man dabei gelegentlich an Grenzen stößt. Erkennen, dass Vieles Gottes Gnade zuzuschreiben ist, die er den Menschen schenkt. Dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine,“ so der Apostel. Er nannte Beispiele aus der Bibel für menschliche Blindheit und auch mögliche Erkenntnisse. Der reiche Kornbauer, der meinte, für alles vorgesorgt zu haben, dabei vergaß, sich um seine Seele zu kümmern. Pharisäer und Zöllner im Tempel, letzterer bei seiner Arbeit oft die Grenzen der Legalität verletzend. Das aber auch einsehend im Gegensatz zu dem sich für unfehlbar haltenden Pharisäer. Esau, der aus einem augenblicklichen menschlichen Empfinden heraus, er hatte einfach nur Hunger, sein Erstgeburtsrecht hergab.
„Und wachet - das heißt, Gefahren zu erkennen. Auch, dass kein Mensch unendlich viel Zeit hat, sein Leben zu leben. Wenn du dir das vergegenwärtigst - was solltest du dann dramatisch ändern?“ fragte W. Bott nachdrücklich. Eine besondere Gefahr, die Wachsamkeit zu vernachlässigen: Man könnte sich über das eine oder andere so erregen, dass man vom Ärger überwältigt wird. Dabei - wenn man manche Zusammenhänge erkennen würde, ergibt sich oft ein ganz anderes Bild und es besteht gar kein Anlass sich aufzuregen..
Das Bild des Teufels als „brüllender Löwe“ - was sagt es uns? Oft ist das irdische Denken so aufdringlich, dass man sich dem schwer verweigern kann. Da gilt es, Prioritäten zu setzen: Gott, seinen Willen an erste Stelle setzen, dann ist auch für mich gesorgt.
Der gemischte Chor, der für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes unter Leitung von Julia Hass sorgte, fand die passende Erwiderung. „Näher, mein Gott zu dir…“ erklang, dieses Mal „nur“ von den Frauen des Chors gesungen.
Der stellvertretende Leiter des Bezirks Tübingen, Ulrich Güttler, griff noch einmal das Bild des „brüllenden Löwen“ auf: „ Vor dem Hintergrund dieser Gefahr sich nicht `vernebeln` lassen durch dies und jenes. Vielmehr wachsam und konzentriert sein, um das Ziel des Glaubens zu erreichen.“
Werner Lampprecht, ebenfalls stellvertretender Leiter des Bezirks Tübingen, versetzte sich in das Alltagsleben. Da ist oft vermeintlich keine Zeit, um die Prioritäten richtig zu setzen. „Es gibt nicht immer, aber oft auch Handlungsspielräume, die man nutzen kann, um sich für das Wertvollere zu entscheiden.“
„Unsere Sünden er- und bekennen, um Vergebung bitten, aber auch Buße tun und sich bemühen, es zukünftig anders zu tun. Anderen nichts nachtragen, denn wir alle sind Sünder“, damit leitete der Apostel zur Feier des Heiligen Abendmahls über.
Danach war als musikalischer Übergang zur Heiligen Versiegelung vom Chor zu hören:
„O ich weiß, ich bin dein eigen, o ich weiß, du lässt mich nicht,
und du willst dich zu mir neigen, wie`s dein heil`ger Mund verspricht.“
(aus dem neuap. Gesangbuch Nr. 131)
Währenddessen traten die Elternpaare, die Mütter auf den Armen ihre Säuglinge haltend, auch Geschwisterkinder waren mit nach vorn gekommen, und ein Erwachsener an den Altar. Den Kleinen und dem Älteren sollte durch den Apostel der Heilige Geist gespendet werden.
„So jemand nicht wiedergeboren ist aus Wasser und Geist, der wird nicht ins Himmelreich kommen,“ zitierte W. Bott bei der heiligen Handlung aus der Bibel. Der Mensch, der Apostel, ist dabei das Werkzeug Gottes. Heute noch eine Angelegenheit des Glaubens, die in letzter Konsequenz sich am Tag des Herrn beweisen wird.
Gegen Ende des Gottesdienstes kam dem Apostel eine nicht ganz einfache Aufgabe zu. Aus Krankheits- bzw. Altersgründen wurden zwei Priester und ein Diakon aus verschiedenen Gäugemeinden in den Ruhestand versetzt. Der viel zitierte wohlverdiente, wie es immer heißt. Den Worten W. Botts war zu entnehmen, dass bei den Dreien diese Formulierung nur höchst unvollkommen wiedergibt, was sie in den langen Jahren ihrer Amtstätigkeit für die von ihnen betreuten Glaubensgeschwister getan haben. Sein Wunsch zum Schluss: „Bleibt im Mittelpunkt der Gemeinde, in Reichweite - ganz einfach, wie ihr es immer gemacht habt: Wer kann, ist da!“