Weltsichten…Blick über den Tellerrand – so lautete das Thema der Ausstellung im Kunstgebäude am Schlossplatz in Stuttgart, die den Kulturtag bestimmte.
Eine von vielen Präsentationen im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums des Lindenmuseums, staatliches Museum für Völkerkunde in Stuttgart. Etwa 25 Teilnehmer der Exkursion hatten sich am Vormittag des 02.12. am Bahnhof Herrenberg getroffen. Es ging mit der S-Bahn nach Stuttgart. Zunächst in die „Alte Kanzlei“ zum gemeinsamen Mittagessen, anschließend dann zur Ausstellung.
Bei der Führung begab man sich in der Tat auf eine Reise durch die Welt unter dem Aspekt - woher kommen wir, wohin gehen wir - eine die Menschheit seit Urzeiten beschäftigende Frage mit vielen verschiedenen Antworten. Beeindruckend, was Menschen rund um den Erdball an kunstgewerblichen Gegebenständen bei der Beschäftigung mit diesem Thema geschaffen haben und was in der Ausstellung zusammengetragen worden war. Jede Kultur fand - und findet - eigene Antworten auf die Fragen des Lebens, alles sehr unterschiedlich und doch durchaus auch mit Gemeinsamkeiten. Nachfolgend nur exemplarisch etwas von dem, was geboten wurde:
Die Besucher sahen Exponate, die - China - auf dem Konfuzianismus bzw. auf taoistischen Vorstellungen beruhten. Danach wirkt das Irdische sehr in die jenseitige Welt. Es war wichtig, der Verstorbenen mit Gegenständen, die sorgsam erschaffen und verwahrt wurden, zu gedenken. Wie sie halt gelebt hatten, Stühle, kostbare verzierte Schränke, Gewänder, Tonmodelle von Bediensteten, das alles wurde von den Nachfahren angefertigt und sorgsam aufgehoben (wobei die Führerin anmerkte, dass die Tonmodelle die humanere Variante waren, ursprünglich habe es den Brauch gegeben, das Personal leibhaftig mitzugeben - zur Verbrennung mit den verstorbenen Ahnen). Die Asche nebst Knochen kam in eine Urne und wurde mit nach Haus genommen. Man behielt die Ahnen so für alle Zeiten bei sich. Dies ist nur eine Form des Erinnerns an die Toten, denn, wenn die Dynastie in China wechselte, war alles Seitherige obsolet und man hatte von Amts wegen in völlig anderem Stil der Ahnen zu gedenken.
Ganz anders in der Südsee. Dort gab es nach dem Tod nichts, was fortwährte. Das zeigte ein kunstvoll gefertigtes „Seelenboot“ in der Ausstellung, aus den 1930er Jahren. Darauf saßen „Personen“, die mit einem solchen Boot versunken waren. Es war üblich, zum Gedächtnis der Toten Schnitzer anzuheuern. Diese hatten auch das ausgestellte Boot nebst Passagieren geschaffen. Nach dem Brauch wurden Vorräte angesammelt und, wenn alles komplett war, was an die Verstorbenen erinnern sollte, gab es eine große Feier. Danach war alles beendet. Die Schnitzereien gingen dahin, wurden nicht weiter gepflegt, ebenso wie das Gedenken an die Vorfahren.
Farbenprächtig präsentierte sich Mexiko in einer Mischung von Traditionen der Inka und des Katholizismus. Christliche und heidnische Traditionen vereinigen sich jedes Jahr beim Totengedenken zu Allerheiligen: Ein Gabenaltar wird aufgerichtet mit persönlichen Gegenständen des Verstorbenen. Ein Foto von ihm, sein Lieblingsbuch, seine Brille, vielleicht ein Foto vom Auto, mit dem er verunfallt ist - so geschehen auch für die Ausstellung, bei der Angehörige von tatsächlich Verstorbenen den Altar, die „ofrenda“ gestaltet haben. So nennt man dieses Prozedere. Sie wird für jede/n gemacht und ist nach dortigem Glauben ganz besonders nötig für Kinder, für im Krieg Gefallene, also alle „vorzeitig“, unerfüllt Gestorbenen. Bekommen sie ihre ofrenda nicht, muss ihre Seele ad infinitum durch den Ort ziehen…Ganz wichtig: viele Kerzen und Tagetes, deren Duft auch den „Altar“ im Museum erfüllte. Die Blumen locken so die Toten an und geleiten sie auch mit ihrem Duft wieder zurück. Nach Allerheiligen ist es dann für ein Jahr mit dem Gedenken vorbei.
Wohin kommen wir - wohin gehen wir?
Ein Blick über den Tellerrand macht auch die eigene Weltsicht erfrischend fremd, fraglich und erneut bedenkenswert, war an einer der Wände der Ausstellung zu lesen. So ging es auch den Teilnehmern des 8. Kulturtags des Seniorenkreises Herrenberg/Gäu..
Denen erschloss sich nach der Kultur aber auch noch eine ganz andere, ziemlich diesseitige Welt: Die des alle Jahre wieder schönen Stuttgarter Weihnachtsmarkts, im Dezember 2011 bei fast noch frühlingshaften Temperaturen. Der Glühwein schmeckte trotzdem.