Eine Ära ging zu Ende: Zum letzten Mal spielte das Sinfonieorchester der Neuapostolischen Kirche, Bereich Tübingen, unter Leitung von Rolf Fauser.
Musik erzählt…“Peter und der Wolf“ und andere Geschichten
war das Thema des Konzertabends, bei dem auch die MuSiKi (Musik für Kinder im Bezirk Sindelfingen der Neuapostolischen Kirche) unter Leitung von Nina Lenz mitwirkten. Zunächst als Schwarzlicht-Theater-Gruppe, die die einzelnen Akteure begleitend zur Musik von “Peter und der Wolf“ optisch als Schattenrisse mit farbigen Details darstellte. Akustisch wurden die „Darsteller“ durch verschiedene Musikinstrumente wiedergegeben. Zum Beispiel Vogel, Ente, Katze, Großvater, Wolf und Peter = Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Hörner und Streicher, wie Rolf Fauser sie und andere zu Beginn sich vorstellen ließ. Einen Erzähler, behaglich in einem großen Sessel auf der Bühne sitzend, gab es auch noch: Musikdirektor Volkmar Fritsche hatte diese Aufgabe übernommen und er musste den Vergleich mit seinem großen Vorgänger in dieser Rolle, Peter Ustinov, keineswegs scheuen.
Wie es so ist im Märchen – erst kommt die große Gefahr, die etwas bräsige und dämliche Ente wird gleich vom Wolf gefressen, der letztlich aber nicht von den Jägern erlegt, sondern zurück in den Wald vertrieben wird. Und, wie im Leben, so auch im Märchen. Man könnte manchmal mehr aus dem Geschehenen lernen, aber, nein: Der Vogel bildet sich ein, nachdem er den Wolf gekitzelt hatte, er könne nun morgen die Katze kitzeln. Und die Ente ist und bleibt ignorant. Im Bauch des Wolfs gefangen, ihr weiteres Schicksal ziemlich absehbar, freut sie sich, endlich mal ungestört verreisen zu können…Ein großer musikalischer Spaß, zur Freude von Groß und Klein auf die Bühne gebracht.
Und es ging weiter. Die Ouvertüre zu „Hänsel und Gretel“ folgte. Ein Abriss der Oper, bei dem alle Akteure musikalisch gut zu erkennen waren: die 14 Engel beim Abendsegen, Hänsel, Gretel und die böse Hexe, Vater, Mutter und das gute Ende des Märchens mit den tanzenden Pfefferkuchenkindern.
Die MuSiKi trugen u. a. Kanons vor, z. T. mit „Trommel“-Begleitung, ein munteres und buntes Bild auf der Bühne in ihren T-Shirts. Ihr letzter Vortrag „Einfach Spitze“ war schon als Hommage für Rolf Fauser gedacht, denn es sollte ja leider sein letztes Konzert mit diesem Orchester sein. Noch ließ sich der Gedanke verdrängen, denn nach der Pause sah das Programm einige Highlights vor…
Wer den Pausensekt zu sich genommen hatte, um eine gewisse innere Beschwingtheit zu erlangen, nun, der hatte fehl investiert: Für letztere sorgte ausreichend das erste Stück nach der Unterbrechung. Zu hören war: „Andantino variazoni aus der Sinfonia concertante“, KV 297 von W. A. Mozart. Die vier Solisten, Oboe Andreas Vogel, Klarinette Martin Vogel, Horn Carlos Duque, Fagott Roland Wintzen, versuchten sich wechselseitig an Spielfreude zu überbieten und rissen jeden im Publikum mit. Wirklich Spitze! Aber wie im Leben, es ist nicht immer alles schön, das Hässliche und oft auch Böse ist meist gar nicht so weit entfernt. Mit „Theme from Schindler`s List“, John Williams, Violine Steffi Zimmermann, kamen mit der Erinnerung an ein düsteres Kapitel der Geschichte Nachdenklichkeit und letztlich doch wieder ein Funken Hoffnung in allem Elend auf, widergespiegelt durch die Musik.
Und noch einmal erzählte sie eine Geschichte, die der Moldau, No. 2 aus „Mein Vaterland“, B. Smetana/Rosenhaus. Rolf Fauser erläuterte mit dem Orchester den „Text“ der Komposition: Zwei Quellen, aus denen der Fluss entsteht, Flöten; er wird größer und größer, fließt durch den Wald, wo eine Jagdgesellschaft unterwegs ist, Hörner und Trompeten; die Moldau kommt an einem Dorf vorbei, wo Hochzeit gefeiert wird, Polkaklänge, Stromschnellen - das gesamte Orchester; sie fließt gen Prag mit majestätischer Burg, noch einmal spielen alle Instrumente.
Nach dieser Präsentation gab es eine (verkürzte) Fassung der Komposition und dann – wurde es ernst. Rolf Fauser platzierte sich im großen Sessel des Erzählers auf der Bühne (wollte er schon mal den Ruhestand von der Dirigententätigkeit üben?) und Bischof Georg Kaltschmitt trat ans Mikrofon. Die Aufgabe, den Orchesterleiter und seine Arbeit für und mit den Musikern in den vergangenen 20 Jahren zu würdigen, war noch der leichtere Part. Ihn gehen zu lassen…
“Lieber Rolf, ein kleiner Rückblick vom Beginn deiner Dirigentenarbeit im Dezember 1991 in der Stadthalle Balingen, damals noch mit dem Bezirksorchester Albstadt/Tübingen, später bis zum heutigen Tag mit dem Sinfonieorchester. Du hast das Orchester zu einem Klangkörper geformt, der eher selten bei der Instrumentalmusik unserer Kirche zu finden ist. Die Spieler sind hoch motiviert, kommen nicht nur aus Süddeutschland, sondern z. B. auch aus Frankreich und Berlin. Sie sind trotzdem bei jeder Probe dabei. Es gab viele Adventskonzerte, andere große Musikveranstaltungen, meist für Benefizzwecke. Z. B. ein Konzert 1999 auf der Burg Hohenzollern zugunsten der DKMS. Musik in Straßentunneln, in Tübingen im Sparkassenkarree, in großen Stadtkirchen in Frankreich zugunsten des dortigen Roten Kreuz. Initiiert von dir habt ihr 2006 in Heidelberg zur Verabschiedung in den Ruhestand von Klaus Saur, früherer Bezirksapostel und Präsident der neuapostolischen Kirche Süddeutschland, gespielt. Heute sind es ca. 75 Orchesterspieler/innen, z. T. noch in sehr jugendlichem Alter. Es war dir ein besonderes Anliegen, das heutige Konzert mit Kindern und auch für Kinder zu gestalten. Die Lust für die Musik bei den Kindern zu wecken, begabte junge Spieler heranziehen, ihnen eine Chance geben, so dass sie z. T. bis heute, längst erwachsen, im Orchester dabei sind. Du hast Musiker für eine engagierte Laienarbeit gewonnen, die heute in der Lage sind, fachkundig die einzelnen Registerproben zu leiten. Ganz kontinuierlich hast du die Anforderungen gesteigert, die Leistungen sind größer geworden und doch – ist dank deiner Arbeit, deiner Integrationsbemühungen die Freude am Musizieren geblieben. Nicht zuletzt eine partnerschaftliche Tätigkeit. Deine Frau Jutta ist dabei nicht hinwegzudenken, auch was ihren Anteil an der Gestaltung von Orchestertreffen und –freizeiten anbetrifft.
Im Namen des gesamten Apostelbereichs Tübingen danke ich und wünsche dir als „Musikpensionär“, zu dem du aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen jetzt leider werden musstest, weiter viel Freude mit der Musik.“
G. Kaltschmitt dankte abschließend auch den Spieler/Innen für einen „tollen Orchesterabend“, wie auch den Solisten, dem Erzähler und last, not least, den Kindern und ihrer Dirigentin für ihre Beiträge.
Das Orchester würdigte seinen scheidenden „Chef“ auf ganz besondere Weise. Im letzten Stück „Prelude aus der L` Arlésienne-Suite Nr. 1, G. Bizet, spielte der Klarinettist, Martin Vogel, mit viel Verve ein extra für diese Aufführung erstandenes Saxofon. “ Er dreht so richtig auf“, war dazu der Kommentar des Dirigenten.
Standing ovations, Füßestampfen der noch im Publikum anwesenden Kinder verlangten nach einer Zugabe. Deren zwei gab es noch. Zwischendurch hatte, während die Musiker farbige Fähnchen mit aufgedrucktem „Danke“ schwenkten, die Konzertmeisterin, als Sprecherin für das gesamte Orchester, ganz persönliche, herzliche Worte zum sehr bedauerten Abschied, für „20 grandiose Jahre“, gefunden.
Lassen wir den Bericht enden mit der (als Kanon gesungenen ) besonderen Zugabe der SpielerInnen:
„Lieber Rolf, du bist der Beste, drum danken wir dir auch ganz feste!“
(Fotos: Andreas Alger)