„Zum Kreuzestode führen sie meinen Jesus hin, sein Schmerz kann sie nicht rühren, nicht sein gelassener Sinn … Zu ihm hinauf zu schauen, gabst du, mein Heiland mir kindliches Vertrauen.
Auf ewig dank` ich dir!“
Dies sind die beiden ersten und letzten Zeilen des Passionsgesangs von J. G. Rheinberger (1839 – 1901), den Chorleiter und Dirigent Michael Hochsprung in den Mittelpunkt des Konzerts gestellt hatte. Im vergangenen Jahr war dieser Chor gegründet worden. Ca. 60 SängerInnen gaben in Herrenberg das erste von insgesamt drei Konzerten in der vorösterlichen Zeit (außer in Herrenberg in Sindelfingen am 10.04. und in der ev. Kirche Loßburg am Karfreitag 2011). Zu Beginn erläuterte M. Hochsprung die Programmauswahl: “ Im Zentrum steht der Passionsgesang. Er wie auch die anderen Musikstücke stellen in Text und Musik die seelische Verfassung Jesus` vom bitteren Leiden, endend im Kreuzestod, bis zur Auferstehung dar. Dichter und Komponisten drücken aber auch die Empfindungen der Zeitzeugen wie all derer, die sich mit der Ostergeschichte beschäftigen, aus.“
Zuvor hatte Apostel Wolfgang Bott, Bereich Tübingen, die Anwesenden begrüßt und ein Gebet gesprochen. „Trotz aller Katastrophen, Kriege und Unfälle gerade in diesen Tagen besteht Grund zur Freude: Das Leiden Christi hatte seinen Sinn, denn – er ist für uns gestorben.“ Zum Konzert waren auch Bischof Georg Kaltschmitt (Bereich Tübingen) und der Leiter des Bezirks Tübingen, Klaus von Bank, mit seinen beiden Stellvertretern gekommen.
M. Hochsprung hatte nicht zu viel versprochen. Der Chor, z. T. mit Solistin (Alt) und einem Doppelquartett, bot ein Programm, das alle diese Empfindungen spiegelte: Zuversichtliche Gewissheit – dass Gott nie einen Fehler macht (aus „Erscheinen meines Gottes Wege…, Text H. Sack, Musik H. Ober), tröstliches Vertrauen („Befiehl du deine Wege…“, Text P. Gerhardt, Musik J. S. Bach/H. L. Haßler), der altbekannte Choral, u.a., bis die Orgel, gespielt von Andreas Ostheimer , mit dem Präludium h-Moll, BWV 544,1 zum Passionsgesang überleitete. Mit Orgelbegleitung zeigten Chor und Dirigent spätestens jetzt ihr ganzes Können vom gedämpften, schmerzlichen und auch aufbegehrenden „…wie hast du mich verlassen“ bis zum, ja, bewundernden: „…und hat für seine Freunde noch Trost in seiner Brust“. Vom nachfolgenden Programm noch besonders hervorzuheben ist Mendelssohn-Bartholdys „Herr, nun lässest du deinen Diener…“, op. 69, Nr.1, Text nach Lukas 2,29-32 mit der Doxologie “Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“, überzeugt und überzeugend, nicht den Hauch eines Zweifels zulassend, vorgetragen. Und, der Tageszeit entsprechend, kam zum Ende mit dem Abendlied Nr. 3 aus „Drei Geistliche Gesänge“ ,op.69 von J. G. Rheinberger, Text aus Lukas 24, 29: „Bleib bei uns, denn es will Abend werden…“ noch einmal die Klangvielfalt des Chors zum Ausdruck.
Standing ovations waren der Lohn für die Musizierenden. Apostel Bott dankte in seinen Schlussworten allen, Chor, Dirigenten und Organisten, die ihre besonderen Begabungen eingebracht hatten, um diese Freude an der Musik zu vermitteln. „Diese Harmonie soll bleiben, nicht, ohne Gott in allem die Ehre zu geben.“, war der Wunsch des Apostels. Er hatte vorher auch berichten müssen, dass dieser Abend für eine der Sängerinnen, die während des Konzerts ohnmächtig geworden und gestürzt war, „ungeschickt“ ausging und sie ärztlich versorgt werden musste.
Der Chor sang als Zugabe eins der schönsten Abendlieder: „Der Mond ist aufgegangen…“ (Text Matthias Claudius). Es ging vielleicht nicht nur dem Chronisten so, dass ihm, egal, ob an diesem Abend die letzte Strophe des Lieds gesungen wurde oder nicht, besonders der Schluss des vertonten Gedichts in den Gedanken „nachklang“, weil er durch das Geschehene eine besondere Bedeutung gewonnen hatte:
„Verschon uns Gott mit Strafen,
und lass uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!“