Bedeutende Verse Herrenberg - Einen schönen Abschluss des Erntedankfestes bereitete der Jugendchor des Bezirks Tübingen den Gästen der neuapostolischen Kirche in Herrenberg.
Die 70 Mitglieder des Chores gestalteten ein thematisch gut gegliedertes Programm unter dem Leitgedanken "Rückblick in Dankbarkeit - Ausblick in Zuversicht"
Das gut besuchte Konzert begann mit dem feierlichen Einzug der Sänger im Alter von 14 bis 28 Jahren. Unter der Leitung von Bernd Rinderknecht entfaltete der Chor schon im ersten Lied einen differenzierten Klangaufbau. Der wohlbekannte Choral "Ich singe dir mit Herz und Mund" von Paul Gerhardt wurde frisch und mit Schwung vorgetragen, vor allem aber mit einer selten gehörten deutlichen Aussprache. Der Jugendchor ist eines der wenigen Ensembles, das den Buchstaben "u" singen kann und zwischen dem stimmlosen und dem stimmhafen "s" zu differenzieren weiß. Die Besucher kamen dadurch in den Genuss, die Botschaft der Texte verstehen zu können. Durch sein präzises Dirigat erreichte Bernd Rinderknecht eine fein abgestimmte Dynamik und durchsichtige Gestaltung. Das kam besonders dem von Heinrich Schütz komponierten "Singet dem Herrn ein neues Lied" zugute. Diese Musik verträgt nur dann einen großen Chor, wenn es die Sänger verstehen, außerordentlich leicht zu singen, ohne an Substanz zu verlieren. Die polyphone Struktur des Satzes war gut zu hören.
Die jungen Sänger hatten sich in mehreren Sonderproben auf das Konzert vorbereitet. Während sie turnusmäßig einmal im Monat proben und einen Jugendgottesdienst in Rottenburg gestalten, haben sie an diesem Wochenende etliche Stunden miteinander verbracht. "Das macht einfach viel Freude, außerdem habe ich fast alle meine Freunde hier im Chor", erzählt Sarah Stockinger. Die 20-jährige singt seit sechs Jahren mit und gehört zu denjenigen, die auch hervorragende Instrumentalisten sind. Mit ihrem Kontrabass begleitete sie mehrere Stücke.
Aus den Reihen der Sänger lösten sich immer wieder einzelne junge Leute, um zu Instrumenten zu greifen. Das "Menuett A-Dur" von Boccherini, durch allzu viele Einspielungen strapaziert, wurde von einem Streichquartett überzeugend interpretiert. Schlank und ohne jede Übertreibung gespielt, entfaltete das Stück seinen ursprünglichen Charme, gestützt von einer sauberen Intonation. Ein besonderer Genuss war der von einem Celloquintett gespielte Satz "Verleih uns Frieden gnädiglich" in der Fassung von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Der warme und flehende Ton der Celli trug die Intensität dieser Bitte überzeugend vor. Lediglich in extremen Höhen gab es hier kleine Intonationsschwächen. Galt der erste Teil des Konzertes dem Rückblick in Dankbarkeit, von Bezirksvorsteher Klaus von Bank in einem Gebet zum Ausdruck gebracht, widmete sich der zweite Teil dem Ausblick in Zuversicht. Sichtlich vergnügt boten die jungen Leute ein Spiritual dar.
Chorleiter Bernd Rinderknecht gab die Impulse, "und mehr braucht der Chor auch nicht", beschreibt er seine Rolle. "Die Jugendlichen haben das Liedgut so verinnerlicht, dass ich nur noch Anstöße geben muss." Er legt Wert auf eine intensive und systematische Stimmbildung, und auch die Aussprache muss kontinuierlich geübt werden. Der Chor unterliegt einer natürlichen Fluktuation durch das Ausscheiden älterer Sänger, aber der feste Kern bleibt groß genug, um die jüngsten Mädchen und Jungen zu integrieren und die Qualität zu halten.
Zum Ende des Konzertes gab es noch einige Einführungs-Sätze in das letzte Stück. Erst vor dem Hintergrund der Verhaftung und des nahen Todes, dem sich der evangelische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer stellen musste, gewinnen seine Verse "Von guten Mächten wunderbar geborgen" ihr ganzes Gewicht. Der Jugendchor und ein Streichquintett ließen die Musik und ihre Botschaft in einer sehr dichten, aber nie gefährdeten Interpretation hören.
Pressebericht des Gäuboten zum "Konzert zum Erntedankfest: Tübinger Jugendchor in Herrenberg"