Am Samstagabend, 10. Oktober 2020, leitet er in Rottenburg den Gottesdienst.
"Herr, den ich tief im Herzen trage, sei du mit mir.
Du Gnadenhort in Glück und Plage, sei du mit mir, ...
o du mein Trost, du meine Stärke, mein Sonnenlicht
bis an das Ende meiner Tage sei du mit mir."
(aus Lied Nr. 148, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Text Emanuel Geibel,1815 - 1884)
Unter anderem die Melodie dieses Lieds wurde vor dem Gottesdienst von der Orgel (Jan-Thilo Bayer) gespielt. Eine sich aufdrängende Bitte, die Bischof Urs Heiniger auch im Eingangsgebet ausdrückte: Es sind schon oft schwere Momente in diesen Pandemiezeiten. Gesundheitliche Nöte, wirtschaftliche Probleme, schwer zu Ertragendes wie viel zu oft allein sein müssen ... "Du kannst alles verändern, aber auch die Kraft zum Tragen geben. Wir legen unsere Hand in deine Hände. Lass Frieden im Herzen einkehren, um dein Wort zu erfassen!"
Das wurde mit der Orgel musikalisch betont: "Herr dein Wort, die milde Gabe, dieses Gold erhalte mir: Wenn dein Wort soll nicht mehr gelten, worauf soll der Glaube ruhn?" (Chorbuch Nr. 104, 105; Text Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, 1700 - 1760). Heiniger anschließend: "Wir brauchen Kraft und Mut durch Gottes Wort, um klar den Weg zur Heimat erkennen zu können. Das können wir nur mit dem Glauben erfassen. Das will ich jetzt im Gottesdienst erleben!" Und er vergaß auch die nicht, die nicht da sein konnten. Ein Indiz - die vielen aus gutem Grund unbesetzt gebliebenen Stühle. "Ich sehe auch die, die dort ´normalerweise´ sitzen würden. In unseren Herzen sind sie mit dabei."
Danach ging es um das Bibelwort für den Gottesdienst: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten." (Mt 7, 12). Überschrieben ist das Kapitel "Die Goldene Regel - von den zwei Wegen". Es gab und gibt solche "goldenen" Regeln zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Ein Beispiel: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Schon im Alten Testament zu finden (u. a. 3. Mose 24, 19, 20). Was bedeutet, nie im Übermaß zu reagieren. Jesus holte so seine Jünger in ihrem vertrauten Alltag ab, was den Umgang miteinander betrifft. Aber er blieb nicht dort stehen. Er führte sie auf eine höhere Stufe, eine höhere Warte. Er stellte den breiten und den schmalen Weg einander gegenüber. Nur letzterer führt zum ewigen Leben. (Mt 7, 13, 14). Wer ihn gehen will, für den ist Jesus der Maßstab. Wie möchten wir, dass sich die Menschen in der Neuen Schöpfung einander begegnen? Kann man das überhaupt schon in dieser Welt realisieren? Jesus als wahrer Mensch hat das vorgelebt. Auch in schwierigen Verhältnissen ließ er sich von Liebe und Fürsorge für andere leiten. Das soll unser Maßstab sein.
Dem Nächsten, wie auch immer er mir kommt, nichts Böses tun. Selbst in höchster Bedrängnis bei seiner Gefangennahme sorgte Jesus für Heilung, nachdem einer der Jünger einem Gegner ein Ohr abgeschlagen hatte. (Lk 22, 49 - 51). Schaffen wir es in problematischen Situationen, in der Liebe zum Nächsten zu bleiben? So viel Leid ist in der Welt, um uns herum, wie leicht könnte man gleichgültig werden: Ich kann ja doch nichts bewirken. Man distanziert sich. Jesus hat sich jedem zugewandt. Niemand kann die Welt retten, aber Anteil nehmen, versuchen, dem Nächsten nahe zu sein, ihm zuhören, das ginge schon. Lasst uns keinen ausgrenzen. Jesus verkehrte bei Intellektuellen wie bei einfachen Menschen. Machte dabei keine Unterschiede zwischen Frau und Mann. So begegnete er auch der Samariterin am Jakobsbrunnen (Joh 4, 5 - 43), die noch dazu eine andere Glaubensauffassung hatte als die Juden. Kein falsches Zeugnis gegenüber dem Nächsten ablegen. Vielleicht aus einer Gutmeinung heraus zu einer Notlüge greifen - tritt hinter mich Satan, so reagierte der Gottessohn. Nach außen besser scheinen wollen als es dem Sein entspricht? Wir wollen uns um Echtheit bemühen. Eine große Aufgabe, die nicht immer gelingt. Aber, anstrengen kann man sich. Niemanden manipulieren, nicht berechnend, sondern offen gegenüber anderen sein.
Jesus´ Handeln war immer von Nächstenliebe bestimmt. Wir wollen als Diener Gottes sein Wesen dem Nächsten zeigen. Nicht etwa deshalb, weil wir vollkommen wären. Jesus` Liebe weitergeben so, wie es auch in der Neuen Schöpfung sein soll. Das möge schon heute in der Gemeinde heraus strahlen, weil es uns drängt, den Schatz, den wir haben, miteinander zu teilen.
Da fehlt es uns noch an Einigem, wurde übergeleitet zur Feier des heiligen Abendmahls. So viele menschliche Schwächen, die sich schon in kleinen Dingen zeigen. Wie schnell passt einem das Verhalten anderer im Straßenverkehr nicht, deren Drängeln, Schneiden, rasantes Überholen. Da - auch da - lässt sich Verständnis für den Nächsten ganz praxisnah und nicht nur theoretisch üben. Ich weiß doch nicht, was den anderen sich derart verhalten lässt. "Gott schenkt uns Gnade und gibt uns seine Kraft im heiligen Abendmahl."
Bei der Verabschiedung hieß es vom Orgel- und vom Klavierspieler (Felix Dopf): "Wir haben aber noch ein "Schlusslied". Da wurde noch gern zugehört. Denn sonst, brachte Urs Heiniger es auf den Punkt, ohne den musikalischen Abschluss hätte uns doch was gefehlt. Herzlichen Dank an die beiden Spieler.