Die Glaubensgeschwister aus einer der beiden Tübinger Gemeinden des Bezirks freuen sich über den Festtag in schwierigen Zeiten.
"Herr, bleib bei mir, der Abend bricht herein.
Es kommt die Nacht, die Finsternis fällt ein.
Wo fänd ich Trost, wärst du, mein Gott nicht hier?
Hilf dem, der hilflos ist, Herr, bleib bei mir!"
(Text - englisch - Henry Francis Lyle, 1793 - 1847, Melodie William Henry Monk, 1823 - 1889, Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche Nr. 180)
Der Organist, der dieses Lied vor dem Gottesdienst in einer von hellem Sonnenschein erleuchteten Kirche spielte, hatte sich keineswegs in der Uhrzeit geirrt. Vielmehr klang ein Wunsch an, der wohl manchen der Anwesenden in Pandemie beschwerten Monaten erfüllt, völlig unabhängig von irgendwelchen Tageszeiten. Dementsprechend lautete eine Bitte des Bischofs im Eingangsgebet: "Lieber Gott, sorg du für jedes Einzelne!" Der Gottesdienst möge erneut ein besonderer Höhepunkt sein, der Gottes Liebe und Nähe erleben lässt. Wenn wir die Klänge der Orgel hören, dann fühlen wir etwas Heimatliches. Das wollen wir uns nicht nehmen lassen. Vielmehr möchten wir das, was wir unter den derzeitigen Einschränkungen an kirchlichem Lebens noch haben dürfen, umso bewusster erfahren. Der Gottesdienst soll uns Mut und Kraft im Vorwärtsgehen geben, so Heiniger zu Beginn.
Darum geht es auch In dem Kapitel des Johannesbriefs, dem das Textwort entnommen ist, Der Verfasser hat das fünfte Kapitel überschrieben: "Die Kraft des Glaubens". Dessen Verse 7 und 8 lauten: "Denn drei sind, die das bezeugen: der Geist und das Wasser und das Blut; und die drei stimmen überein." Kraft, die braucht der Mensch schon im Natürlichen. Wer arbeitet, dem gehen irgendwann die Kräfte aus und er bedarf der Nahrungsaufnahme. Das gilt auch im Geistigen. Für einen kraftvollen Glauben bedarf es der Stärkung. Gaben müssen gefördert werden, damit sie wachsen und sich vermehren. Nicht förderlich dafür ist es, wenn sich Gruppen bilden, so dass die Kräfte nicht - mehr - gebündelt sind. Ein derzeit häufiges Beispiel aus dem Alltäglichen: An der Maskenpflicht scheiden sich die Meinungen. Man könnte auf die verwegene Idee kommen, Jesus trug so etwas auch nicht. Allerdings - die Menschen damals hatten auch ihre Probleme. Um nur ein Beispiel zu nennen: Kein bequemes Auto, um sich fortzubewegen. Vielmehr mühsame Mehr-Tages-Reisen, um irgendwohin zu kommen. Aber, alles nur äußere Umstände, auf die es nicht ankommt. Wesentlich ist: Das Geisteswirken war damals und ist heute dasselbe. Auch Konflikte gibt es immer wieder. Damit sie nicht schwächen können, ist der gemeinsame starke Glaube entscheidend.
Für das Heil bedarf es der drei Sakramente: Geist, Wasser und Blut, "... und die drei stimmen überein". Heutzutage werden wir mit Informationen überflutet, die zum Teil höchst widersprüchlich sind. So, dass es einem oft zu viel wird. Was Jesus als Chance zum Heil gibt, widerspricht sich nicht. Vielmehr ist diese Grundlage eine einzige. Dem verdankt sie ihre Kraft.
Da ist das Wasser: Jesus als wahrer Mensch und wahrer Gott ließ sich taufen. Gott bekannte sich dabei zu ihm. Warum? Weil Jesus auch Mensch war. Der alles, was er tat, in der Verbindung zu Gott tat. Der Geist ist gleichzusetzen mit dem Wirken des Heiligen Geistes. Auch Jesus musste im Gebet die Verbindung zu Gott suchen. Er brauchte Sicherheit durch dessen Kraft. Deshalb auch seine Zusage an die Jünger, sie nicht allein zu lassen, sondern ihnen einen Tröster zu senden. Den sehen wir in den drei Sakramenten. Was bewirken sie heute noch in meiner Seele? Welchen Stellenwert haben sie für mich? Eine Frage, die uns immer begleiten sollte.
Das Wasser als Sinnbild der Heiligen Taufe - sie ist kein einmaliger Akt. Die Eltern geben für das kleine Kind ein Versprechen ab, das der religionsmündige Christ bei der Konfirmation selbst für sein zukünftiges Leben übernimmt. Gott setzt damit ein Zeichen: Durch Gnade wird die Trennung der Menschen von ihm, geschehen durch Sünde, beseitigt. Die Erbsünde wird abgewaschen. Das muss an mir zu sehen sein. Ich muss das leben. Die Wassertaufe begründet die Nähe zu Jesus. Die Seele wird hinein gebunden in die Kirche Christi. Ich bin in meinem Glauben, Jesus Christus zu kennen, nicht allein. Ich will ins Haus des Herrn gehen. Das treibt uns um trotz all der vielfältigen anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten am arbeitsfreien Sonntag.
Die Heilige Versiegelung: Du sollst Erstling werden. Die als Erste die Herrlichkeit erleben dürfen. Warum gerade ich, wir? Wir haben die Aufgabe, anderen das Heil in Christus zu verkünden. Was voraussetzt, es selbst zu erkennen. Amtsträger werden für eine bestimmte Zeit eingesetzt. Aber ohne zeitliche Beschränkung gilt es, zu verkünden: Unser Herr kommt! Niemand kann erklären, wie das wirklich sein wird. Und trotzdem wird es geschehen. Hätte sich etwa jemand vor einem Jahr vorstellen können, wie sich das Leben in einer Pandemie so gestaltet? Und doch ist es geschehen. Begleitumstände, die wir nicht beeinflussen können, und seien sie auch noch so problematisch, sie dürfen kein Hindernis sein, unserer Bestimmung gerecht zu werden.
Wobei, so der Bischof bei der Überleitung zur Feier des heiligen Abendmahls hinwies: Eins fehlt ja noch von den drei Elementen - das, was wir jetzt miteinander erleben wollen. Jesus schenkt sich dir und mir. Um das zu erfassen, braucht man den Glauben. Äußerlich ist nichts davon wahrzunehmen, wenn Gott uns als Kraftquelle immer wieder einen Teil von sich schenkt. Als keine Präsenzgottesdienste stattfinden konnten, hat das gefehlt. Wie auch die Gemeinschaft beim heiligen Abendmahl. Die Video-Gottesdienste konnten nur eine Notlösung sein. Es hat etwas gefehlt. Durch neue Kraft kann sich neues Leben entwickeln. "Wir alle möchten das jetzt fühlen und erleben. In der Gemeinschaft.
Das von der Orgel dazu gespielte Lied drückte deren Wert aus:
"Durften wir Gemeinschaft finden mit dem Heiland Jesus Christ,
können freudig wir bekennen, was uns heut bereitet ist.
Herzlich innig wir erflehen unseren Lieben Gottes Gnad,
er hat Hilfe neu ersehen heut durch Jesu Christi Tat."
(Gb der Neuap. Kirche, Nr. 304, Vers 3, Verfasser unbekannt)
Nach dem Gottesdienst hieß es - "nur" der Organist hatte das zur Liturgie gehörende, sonst von der Gemeinde gesungene dreifache Amen gespielt - : " Das ´normale´ dreifache Amen fehlt. Lasst uns umso mehr unseren Glauben leben, dem Nächsten in Liebe begegnen und Freude bekunden." Herzliche Grüße an die, die nicht anwesend sein konnten, wurden aufgetragen, bevor man sich mit der gebotenen Distanz im Vorgarten der Kirche voneinander verabschiedete.