Apostel Martin Schnaufer leitet am 25. Dezember 2019 den Gottesdienst in der alten Universitätsstadt. Eingeladen waren außer den Tübingern die Glaubensgeschwister aus den Gemeinden Ammerbuch-Pfäffingen und Rottenburg.
"In dulci jubilo" - "Lobe den Herren..." - "Gloria in excelsis Deo" - "Es ist ein Ros´ entsprungen..." u. V .m.: Orgelspieler und Orchestermitglieder - sie spielten schon vor dem Gottesdienst - dazu später die Gemeinde beim gemeinsamen Singen, ein männliches Gesangsseptett, der gemischte wie auch, ganz wesentlich, der Kinderchor, alle einte die Freude über die Geburt Jesus` und deren Feier an diesem Tag. Dieses Empfinden brach sich mit jedem musikalischen Vortrag unaufhaltbar Bahn und zog jeden aus dem eigenen, oft so beschwerlichen Alltäglichen mit, der das zulassen wollte und konnte.
Schon im Eingangsgebet dankte der Apostel dem himmlischen Vater für das Geschenk: Gott wird Mensch. Darauf gibt es keinen Anspruch. Er ist da. Man kann das nicht hoch genug einschätzen. Es möge in allen eine nachhaltige Freude auslösen. "Ganz herzlich willkommen. Frohe Weihnachten. Ein gesegnetes Fest: Christus ist geboren für dich und für mich.", hieß es danach. Es wurde der Bibeltext für den Gottesdienst verlesen: "Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig - nicht um der Werke willen, die wir in Gerechtigkeit getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit - ..." (Tit 3 und z. T. 4). Nach einem musikalischen Beitrag folgte die Bibellesung. Zwei Mädchen lasen mit verteilten Rollen die wohl vertrauteste biblische Schilderung von der Geburt Jesus´: "Es begab sich aber zu der Zeit..." (Lk 2, 1 - 14).
Die Menschen damals hatten keine vier Adventssonntage gehabt, um sich auf Christi Geburt vorzubereiten. Als Jesus geboren wurde, waren die Hirten wie jede Nacht auf dem Feld. Wenn Gott ins Leben tritt, dann begegnet er dem, der ihm begegnen will. Ohne jedes spektakuläre Äußere. Zwar war Christi Geburt ein unglaubliches Wunder. Dem Gottessohn ging es aber gerade nicht um äußere Wunder. Sie sollten nicht im Vordergrund stehen. Im Gegenteil. Er wollte kein irdischer Wundertäter sein.
Kam seine Geburt zur richtigen Zeit? Eher nicht. Das in früheren Zeiten große Volk Israel war unter römischer Herrschaft zur politischen Bedeutungslosigkeit heruntergekommen. Dazu zerstritten. Vor langer Zeit war, von den Propheten hochgehalten, die Erwartung vom Kommen des Heilsbringers viel präsenter und konkreter gewesen. Aber Gott sandte seinen Sohn dann, "als die Zeit erfüllet war." (vgl. Gal 4, 4). Jetzt wurde der Engel mit der Verheißung zu Maria geschickt. Mitten hinein in deren Alltag wird der Sohn geboren. Aber, das Besondere, ein Engel verkündet es. Er spricht: "Fürchtet euch nicht." Gott wird in dem kleinen Kind Mensch. Nichts mit Glanz, Gloria, menschlicher Ehre: Jesus lebte einfach "nur" das Wesen Gottes.
"... machte er uns selig..., nach seiner Barmherzigkeit -", zitierte Schnaufer aus dem Textwort für den Gottesdienst. Sicher, schon im Alten Testament gibt es Beispiele göttlicher Güte. In den Psalmen wird sie gerühmt. Wenn auch nicht durchgehend Anlass dazu bestand. Göttliche Grausamkeiten werden auch überliefert. Jetzt aber werden mit der Sendung seines Sohnes Liebe und Barmherzigkeit personifiziert. Er wendet sich jedem zu, ohne Unterschied. Seine Gleichnisse dokumentieren das. Denken wir an den Barmherzigen Samariter. Der hatte gar kein gutes Image, aber sein Handeln sollte allen ein Beispiel sein. Jesus setzte sich zu Tisch mit übel beleumundeten Sündern. Er heilte Kranke am Sabbat. Da passte nichts zu Tradition und Geboten.
"Lasset uns Menschen machen. Ein Bild, das uns gleich sei." (vgl. Mos 1, 26), heißt es zu Beginn der Schöpfungsgeschichte. "Uns gleich..." - Grundvoraussetzung dafür ist, dass keine Sünde geduldet ist. Es muss alles aufgehoben sein, was den Menschen an göttlicher Gemeinschaft hindert. Zur Erlösung bedarf es des göttlichen Opfers.
Jesus´ Leben ist für uns ein Katalog vorbildhaften Verhaltens. Seit Adam und Eva hatte Gott zwar auch viel für die Menschen getan. Aber nicht so wie es jetzt sein soll: Er wendet sich jedem zu. Will jedem nahe sein und Gnade schenken. Allen helfen, auch dir und mir. In Freundlichkeit, Liebe und Barmherzigkeit. Wann? Das ist oft erst im Nachhinein zu erkennen. Und manche Frage wird offen bleiben. Das ist aber kein Grund, an Gott zu zweifeln.
Jesus` Gebete sind an den lieben Vater gerichtet. Anders als im Alten Testament gibt es keinen Gott, der droht. Es kommen keine Vorwürfe. Es ist ein Gott, der deine Hand nehmen und dich aus allem Üblen herausführen will. Ohne jedes eigene menschliche Verdienst. Und ohne Zwang. Die, die ihn in die Mitte ihres Lebens nehmen, erleben in seiner Sendung Freude und eine Zukunft.
Es bedeutet aber auch, selbst nach Jesus´ Vorbild Freude, Liebe und Barmherzigkeit zu vermitteln, Da gibt es kein Ausgrenzen, keine Gewalt. Rücksichtslosigkeit und Gier haben keinen Platz. Das soll mit Weihnachten 2019 verbunden sein und bleiben. Im Bewusstsein: "Gott ist groß. Er lädt uns ein. Er schenkt sich uns und damit uns eine Zukunft!"
Bezirksvorsteher Klaus von Bank wies darauf hin, dass Gott den Menschen Zeichen schickt, denen sie folgen können. Den Hirten den Engel, der zu ihnen spricht. Den Weisen aus dem Morgenland einen Stern, den sie aufgrund ihrer Studien als Wegweiser verstehen können. Also jedem in seiner persönlichen Lage etwas, das er auch begreifen kann. "Herbei, o ihr Gläubigen.", lautet die Einladung. Lasset uns Menschen schaffen, ein Bild, das uns gleich sei - können wir das in jedem Mitmenschen sehen? Gott lieben und seinen Bruder hassen, das geht gar nicht. "Wir wollen Gottes Willen annehmen. Auch seine Liebe, die wir mit anderen gern teilen."
Weihnachten ist für Familien ein wunderschönes Fest, so anschließend der Apostel. Auch ein Fest der Besinnlichkeit, bei dem Vieles, was war, wieder auflebt. Gutes wie anderes. Dabei aber immer die Liebe in den Vordergrund stellen mit dem Impuls, sich dem anderen zuzuwenden. Wo ist der, dem ich mich schenken möchte? Wenn ich es wirklich will, finde ich auch jemanden, mit dem ich teilen kann. Etwa ohne Gegenleistung geben und sich dabei ausgenutzt fühlen? Gottes Liebe weiterzugeben, bedeutet doppelte Freude. Ich bin nicht allein für mich auf der Erde.
Es ging jetzt auf den Höhepunkt des Gottesdienstes zu: die Feier des heiligen Abendmahls. Wie oft dem anderen vergeben - Jesus´ Antwort letztlich: sieben mal siebzig Mal. (vgl. Mt 18, 22) Nicht als Rechenexempel gedacht. Sondern als Hinweis, insoweit gar nicht erst mit dem Zählen anzufangen. Das passt an der Stelle nicht. Entscheidend ist vielmehr die Einstellung dazu, keine Checkliste. Versuchen wir, die göttliche Sicht zu unserer zu machen. Das bedeutet nicht, in Sack und Asche zu gehen. Gott liebt uns so, wie wir sind, das ist Gnade. "Empfangen wir sie mit der inneren Haltung, dass er sich uns schenkt."
Zwei Erwachsene, vier Kleinkinder und ein Heranwachsender empfingen das Sakrament der Heiligen Versiegelung. Als sie nach vorn an den Altar getreten waren, ging es wieder um ein Geschenk: Gott will Wohnung machen bei den Menschen. Ein engeres Verhältnis zu ihm ist nicht möglich. Danach wurde durch Handauflegung des Apostels der Heilige Geist gespendet. Den Eltern der ganz Kleinen, die für ihre Kinder ihr Ja zu Gott gegeben hatten, wurde noch die Aufgabe mitgegeben, Liebe und Barmherzigkeit vorzuleben. Viel Freude mit dem Nachwuchs, hieß es weiter, und das zu jeder Tages- und Nachtzeit...
"Genießt Weihnachten und habt ein offenes Herz für alle.", so Martin Schnaufer vor dem musikalischen Abschluss. Den hatten Kinder und Sonntagsschullehrerinnen vorbereitet: Der Refrain der "Fröhlichen Weihnacht", die mit dem Lied der Kinder gewünscht wurde, lag ausgedruckt zum Mitsingen für alle auf den Sitzen verteilt. Die Gemeinde ließ sich nicht lange bitten. Alt, Jung und dazwischen bildeten einen großen, gewaltigen gemeinsamen Chor:
"Fröhliche Weihnacht überall! Töne durch die Lüfte, froher Schall!
Weihnachtston, Weihnachtsbaum, Weihnachtsduft in jedem Raum.
"Fröhliche Weihnacht überall! Töne durch die Lüfte, froher Schall!"