Bischof Urs Heiniger leitet die Trauerfeier in der Herrenberger Kirche.
Die Kapelle
Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Tal hinab.
Drunten singt bei Wies´ und Quelle froh und hell der Hirtenknab´.
(Ludwig Uhland, 1805)
Vor der Trauerfeier spielte eine große Instrumentalgruppe - Robert Hass´ Kinder zusammen mit ihren Freunden. Schon oft hatten sie bei Orchesterauftritten im Kirchenbezirk Tübingen gemeinsam gespielt. An diesem Nachmittag war es eine besondere Art, herzliches Mitgefühl füreinander auszudrücken. Im Eingangsgebet ging Bischof Urs Heiniger auf die große Trauer von Ehefrau, Kindern, Enkelkindern und den Mitgliedern der Heimatgemeinde des Verstorbenen, Gäufelden-Öschelbronn, ein. Durch göttlichen Ruf haben sie ihren Ehemann, Vater, Großvater und Priester im Ruhestand im Diesseits verloren. Neben dem Schmerz stehe aber auch ganz groß der Dank für den Reichtum, den Robert Hass allen gegeben hatte. Der würde bleiben. Göttlicher Trost solle die traurigen Herzen zukünftig erfüllen.
"Denn Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn." (Phil 1, 21). Dieser Text lag der Trauerfeier zugrunde. Zu Beginn stellte der Bischof das Wesen des Verstorbenen, das was ihn durch und durch prägte, in den Mittelpunkt: Wenn etwas geschah, das überraschend kam und alles andere als schön war - Robert Hass war bereit, es ohne langes Hin und Her zu akzeptieren und nach vorn zu schauen. Das zeigte die Schilderung des Lebenswegs durch die Angehörigen. Auf den ging der Bischof jetzt näher ein:
Robert Hass durfte 74 Jahre alt werden. Nach einem eigentlich gelungenen, relativ komplizierten medizinischen Eingriff am Herzen war doch kurz danach, für alle zutiefst erschütternd, sein irdisches Leben vorbei. "Unfassbar und dennoch, der Herr hat Gnade zu seiner Reise gegeben. Er möge ihn bewahren bis zum Tag des Herrn.", so des Bischofs Wunsch. Robert Hass wurde am 13.04.1945 in einem kleinen Ort nahe Reutlingen geboren. Genau an dem Tag stürmten französische Soldaten das Geburtshaus. "Kann sein, dass mein Erscheinen auf dieser Welt das gesamte Haus vor weiterem kriegerischem Ungemach bewahrt hat?", pflegte er mit dem ihm eigenen Humor diesen Beginn seines Lebens zu kommentieren. Er wuchs in einem neuapostolischen Elternhaus auf. Als Heranwachsender passte er sich den damals nicht unüblichen elterlichen Vorgaben und Erwartungen, wie er sein Glaubensleben zu führen habe, nicht an. Es gab heftige Reaktionen auf der anderen Seite. Die nahm er in Kauf. Seinen Glauben konnten sie nicht erschüttern. Aber, so seine Feststellung, ein Wunder ist es schon, dass ich überhaupt noch glaube. Er machte eine kaufmännische Ausbildung. Später wechselte er seine berufliche Tätigkeit. Er beendete sein Arbeitsleben als Kriminalhauptkommissar.
Eine in jungen Jahren geschlossene Ehe, in der 1976 ein Sohn geboren wurde, scheiterte. Wie auch in anderen kirchlichen Gemeinschaften damals üblich, hatte seine Ehescheidung Konsequenzen - Ausschluss von der öffentlichen Teilnahme am heiligen Abendmahl u. a. Das musste er schmerzlich erleiden, war aber für ihn kein Grund, die Gottesdienste nicht mehr zu besuchen. Die blieben ihm heilig. Er konnte sich auf das Wesentliche konzentrieren. Er war weiter aktiv im Chor und blieb Organist und auch Dirigent. Musikalisch kreativ, organisierte er zusammen mit einem Freund ein Mundharmonika-Quartett, das im Gottesdienst musizierte.
Später kam die zweite Ehe mit seiner Frau Irmtraud. Für ihn, wie er es ausdrückte, ein göttliches Geschenk. Sie wohnten in Gäufelden-Öschelbronn. Robert Hass diente dort als Priester. Insgesamt 25 Jahre war er als Amtsträger tätig. Er engagierte sich im Chor, organisierte Feste und war aus dem Gemeindeleben nicht hinweg zu denken. Vor kurzer Zeit erst war dort der große Herbstputz in der und um die Kirche herum angesagt. Robert Hass voll dabei, frohen Mutes mit seinen Späßen für ein gutes "Betriebsklima" sorgend.
36 Jahre lang dauerte die mit vier Kindern und zwei Enkeln gesegnete Ehe mit Irmtraud. Im Hinblick auf seine Familie ließ Robert Hass jedwede schwäbische Sparsamkeit vermissen. Er war auch der "beste Onkel aller Zeiten" im weiteren Familienkreis. Zwei jetzt acht und zehn Jahre alte Neffen assoziieren mit ihrem Onkel Robert Uhlands Gedicht von der (Wurmlinger) Kapelle, eingangs zitiert. Er hat es in einer vertonten Fassung mit ihnen geduldig geübt und gesungen.
"Christus ist mein Leben..." Das war die Grundlage seiner tiefen Liebe zur Familie. Seines aufrichtigen Glaubens. Seiner großen Dankbarkeit für alles, was er aus Gottes Hand empfangen hat. "Er wäre auch gern noch bei euch geblieben, aber jetzt ist er einen Schritt nach vorn gegangen. In euren Gedanken, in euren Herzen wird er bleiben."
"... und Sterben ist mein Gewinn." Seltsam? Sterben bedeutet nicht zuallererst, alles aufzugeben. Es ist die Wende zu einer anderen Daseinsform. Sie eröffnet eine neue Welt, in der alte Verletzungen, erlittenes Unrecht nicht mehr wichtig sind. Dass das Ablegen von Altem zu einem Gewinn werden kann, das hat Robert Hass schon zu Lebzeiten verinnerlicht. Sterben ist mein Gewinn, nicht aus Lebensmüdigkeit heraus, sondern weil der Schritt neue Möglichkeiten eröffnet. Das Ziel bleibt dasselbe: einst in der Herrlichkeit zu sein. "Ihr sollt fühlen, der Ehemann, Vater und Opa ist weiter für euch da. Die Trennungslinie zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit ist kein Hindernis. Ihr bleibt in eurer Liebe zusammen, um mit ihm das großartige Glaubensziel zu erreichen."
Priester Erich Maier, jetzt Gemeindevorsteher in Jettingen, hatte lange Zeit in der Gemeinde Öschelbronn mit Robert Hass zusammen gewirkt. "Ich bin auch sehr betroffen vom plötzlichen Tod meines Mitpriesters und Freunds. Viele Gespräche haben wir miteinander geführt. Er war immer dem anderen zugewandt, auch wenn ihn Manches, was mit seinem Beruf verbunden war, stark belastet haben dürfte. Sich nicht entmutigen lassen, anderen Freude geben, das war seine Maxime. "Er ist bei euch.", wandte sich Erich Maier an die Angehörigen. "Ich bin sicher, dass er uns auch in der Ewigkeit ein Segen sein wird."
"Was nehmen wir mit von Robert Hass?", fragte anschließend der Bischof. Sich nicht entmutigen lassen. Was auch kommt, es ist mein Gewinn. Davon war er überzeugt, ohne ein Träumer zu sein. Wenn Christus auch in unserem Leben das Zentrum ist, dann geht es vorwärts, auch dann, wenn wir scheinbar scheitern. "Wir wollen jetzt unseren Glauben bezeugen. Im gemeinsam gesprochenen Vaterunser sind wir ganz eng miteinander verbunden."
Während der Trauerfeier hatte ein großer gemischter Chor für die musikalische Begleitung beeindruckend gesorgt. Bei den Sängern und ihrem Dirigenten bedankte sich Urs Heiniger herzlich, bevor die Trauergemeinde, geschlossen und hörbar von Herzen kommend, so, wie zuvor auch das Vaterunser gesprochen worden war, ein Lied aus dem Gesangbuch anstimmte:
"Herr, bleib bei mir, der Abend bricht herein.
Es kommt die Nacht, die Finsternis fällt ein.
Wo fänd ich Trost, wärst du, mein Gott nicht hier?
Hilf dem, der hilflos ist, Herr bleib bei mir.
Geführt von deiner Hand fürcht ich kein Leid,
kein Unglück, keiner Trübsal Bitterkeit.
Was ist der Tod, bist du mein Schild und Zier!
Den Stachel nahmst du ihm, Herr bleib bei mir!
(Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche, Lied Nr. 180, Verse 1 u. 4, Originaltext Henry Francis, 1793 - 1847)