Eine große Trauergemeinde nimmt Irdischen Abschied von Priester i. R. Gerhard Stockinger
O komm! In sel´gen Paradiesestönen
die Schar Erlöster grüßt dich wie im Traum
durch ihn, der niederkam, uns zu versöhnen.
Im Reich der Liebe hast auch du noch Raum.
(Nr. 111, Vers 4 Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche, Melodie Heinrich Bucher, 1874 - 1931)
Unter anderem die Melodie dieses Lieds spielte vor der Trauerfeier in der Öschelbronner Aussegnungshalle ein Instrumentalquartett für "seinen" Opa, ein Enkel, zwei Enkelinnen und eine Freundin. Eine große, die Halle ganz füllende Trauergemeinde hatte sich versammelt, um, wie es Apostel Martin Schnaufer im Eingangsgebet formulierte, einem ganz lieben Menschen "Auf Wiedersehen" zu sagen.
"Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen." (Lk 2, 29 u. 30). Dieser Text aus dem Lukasevangelium war Grundlage des Gottesdienstes. Der Tod eines Menschen lässt viele Erinnerungen wach werden: Punkte aus seinem Leben, ganz besondere Erfahrungen mit ihm, vielleicht seine Ratschläge, ein Gedankenaustausch... Die Erinnerung an Gerhard Stockinger weckt bei seinen Angehörigen große Dankbarkeit für die Zeit mit ihm, der ein Vorbild für sie war und so, wie er darin gelebt hat, erfüllt auch sie der Glaube an ein Wiedersehen und eine gemeinsame Zukunft.
Es folgte der Lebenslauf des Verstorbenen, wie er von seinen Angehörigen geschildert wurde: 1926 als jüngstes von sechs Geschwistern in Oberjettingen geboren, machte er nach der Schule eine Lehre als Elektriker. Schon mit 17 Jahren musste er - es war Zweiter Weltkrieg - zum Wehrdienst. Eingesetzt war er in Frankreich zum Verlegen von Telefonleitungen an vorderster Front. Dass er das überlebt hatte, war für ihn zeitlebens ein Wunder. Nach dem Krieg und anschließender Gefangenschaft in Frankreich kam er zurück nach Oberjettingen, wo er bis zuletzt gewohnt hat. Er machte eine Lehre als Elektriker und arbeitete er erst bei einer Firma in Böblingen und anschließend bei einem Sindelfinger Autohersteller. In seiner Freizeit war er mit Fleiß und vielseitigem technischen Verständnis auch im privaten Bereich bei allem, was handwerklich auf seinem Fachgebiet anfiel, unermüdlich tätig, bis zuletzt interessiert und ein guter Ratgeber in solchen Belangen. 1949 - seine Mutter war zur Neuapostolischen Kirche gekommen - empfing er dort das Sakrament der Heiligen Versiegelung. Von 1953 bis 1991 war als Amtsträger tätig, davon 36 Jahre als Priester und 23 als Gemeindevorsteher in Bondorf und später in Remmingsheim. 1953 hatte er geheiratet. Aus der Ehe sind drei Töchter hervorgegangen. Im Jahr 2005 verstarb seine Frau und in den Folgejahren kümmerten sich zunehmend seine Töchter um ihn. Er verpasste keins der kirchlichen Seniorentreffen. Nicht nur in diesem Kreis wurde seine offene, humorvolle und gelassene Art geschätzt. Vor vier Wochen musste er wegen Herzproblemen ins Krankenhaus, wo noch eine Operation erfolgen sollte. Ein gnädiger Tod beendete am 10. Oktober 2019 sein Erdenleben. Drei Kinder, fünf Enkel sowie zwei Urenkel und deren Familien vermissen ihn. Mit seiner Glaubensstärke wird Gerhad Stockinger allen ein Vorbild bleiben.
"Im eingangs verlesenen Bibelwort geht es auch genau darum.", fuhr der Apostel fort. Es wird Simeon zitiert, der "in Frieden fahren wollte", nachdem sein Glaube sich bewahrheitet hatte: Seine Augen hatten endlich im Tempel den Herrn gesehen. Gerhard Stockinger hat feststellen dürfen, dass er schon immer in Gottes Hand gewesen war, sonst hätte er den Kriegsdienst nicht überlebt. Das war für ihn ein Lernprozess, keine Lebensphilosophie: Ich bin in Gottes Hand. In der liegt alles, das, was wir sind und auch das, was wir nicht verstehen können. Er wusste, dass es eine gemeinsame Zukunft geben wird, auch wenn Gott zugelassen hat, dass er sich im Irdischen von seiner Frau hatte trennen müssen. Dieses Wissen war sein Schatz. Den er auch darin sehen konnte, dass es eine gemeinsame Zukunft mit seinen Lieben geben wird, die mit ihm den Glauben an dieses Ziel teilen. Damit hatten auch seine Augen "den Heiland gesehen". Menschen machen Fehler, alle. Aber er wusste auch um die göttliche Gnade, die jeder braucht und bekommt, wenn es ihm ernst ist damit..
Und jetzt - gibt es ein gemeinsames Warten auf Christi Wiederkunft. Das des Verstorbenen in der Welt des Geistes und das seiner Lieben hier. Es verbindet sie weiter das Ziel, den Heiland schauen zu wollen und auf ihn zu warten. Bei der Wiederkunft Christi werden zuerst die Toten, die in ihm gestorben sind, auferstehen. Die Lebenden, die sich auf sein Kommen vorbereiten ließen, empfangen einen neuen Leib. Gemeinsam werden diese alle entrückt und in die ewige Gemeinschaft mit Gott geführt. Es ist so ein Abschied von Gerhard Stockinger mit Perspektive: Ein freudiges Zurück- und ein ebensolches Vorausschauen, hüben wie drüben.
Viele Lieder sang der gemischte Chor während der Trauerfeier und später bei der Verabschiedung am Grab. Es war eine beachtliche Zahl an SängerInnen, denn Glaubensgeschwister, insbesondere aus den Gäugemeinden, und Weggefährten Gerhard Stockingers aus seiner Zeit als Amtsträger waren dazugekommen und sangen mit.
Den Bericht beschließen soll der tröstliche und zuversichtliche Text aus den Psalmen, der auch vom Chor gesungen wurde:
"Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.
Er ist mein Hort, meine Hilfe und mein Schutz, dass ich nicht fallen werde."
(Nr. 20, Lieder für Trauerfeiern, Text nach Ps 62)