Bezirksvorsteher Klaus von Bank leitet an einem sonnigen Vorfrühlingsmorgen den Gottesdienst in der Gäumetropole.
"Bleib mir zur Seite stehn..."
(Aus Vers 2, Lied Nr.315 Gesangbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Text Hermann Ober, geb.1926)
Ein Wunsch, an Gott gerichtet, den der gemischte Chor in seinem vor dem Gottesdienst gesungenen Lied ausdrückte. Und ein Wunsch, der, wechselseitig an den Partner gerichtet und erfüllt, auch mit dafür gesorgt hatte, dass Walter Kohler, Priester i. R., und seine Frau Marianne jetzt auf 65 gemeinsame Ehejahre zurückschauen konnten. Und ein Wunsch, der über diesen Feiertag des Ehejubiläums hinaus bestehen wird. "Liebe Festgemeinde, liebe Marianne, lieber Walter, herzlich willkommen an diesem Sonntag.", begann der Bezirksvorsteher. Lange Tage war er vorgemerkt, dieser Termin. Dabei schwang immer mit, so Gott es will, dann werden wir ihn erleben. Früher wurde oft bei Vorhaben gesagt, wenn der Herr bis dahin nicht gekommen ist. Muss nicht ausgesprochen werden. Der Vorbehalt sollte aber immer bewusst sein. "Nehmen wir diesen Tag dankbar aus Gottes Hand. Er will, dass wir ihn heute erleben."
"Und sie sprachen zu der Frau: Nun glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; denn wir haben selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland." (Joh 4, 42). Von Bank ging auf die Begebenheit und deren geschichtlichen Hintergrund ein, die im vierten Kapitel des Johannesevangeliums geschildert wird: "Jesus und die Frau aus Samarien". Die Samariter - von den Juden nicht geachtet - hatten sich in der Vergangenheit auch mit Nichtjuden vermischt, was auf Ablehnung stieß, so dass sich die beiden Völker auseinander gelebt hatten. Jesus nun reiste durch Samarien auf dem Weg von Judäa nach Galiläa (Joh 4, 1 ff). Müde von der Reise, setzte er sich an einen Brunnen. Eine Frau kommt dazu und er bittet sie, ihr zu trinken zu geben (Joh 4, 6, 7). Er spricht sie an, die ihr Erstaunen darüber nicht verbergen kann. Ein Jude, sie ansprechen und sie um etwas bitten? Jesus sagt dazu: "Wenn du wüsstest, wer ich bin, würdest du mich um lebendiges Wasser bitten (vgl. Joh 4, 19ff). Es entwickelt sich ein Gespräch, in dessen Verlauf die Frau erkennt, wen sie vor sich hat. Sie ging in ihren Ort, erzählte, was sie erkannt hatte. Jesus blieb zwei Tage dort, bevor er weiterzog. Er sprach zu den Bewohnern dort und noch viele mehr glaubten "um seines Wortes willen", so dass sie zu der Frau das sagten, was das vorstehend zitierte Textwort des Gottesdienstes wiedergibt.
Was lernen wir aus dieser Begebenheit: Gott ist Geist. Da ist es unwichtig, ob er in Jerusalem im Tempel angebetet wird, oder, wie es die Samariter taten, auf einem Berg (vgl. Joh 4, 20 ff). Die Verhältnisse, aus denen jemand kommt, spielen keine Rolle. Die Frau war keine Jüdin. Und sie lebte kein Leben, wie es den religiösen Vorschriften entsprach (vgl. Joh 4, 17 ff). Unverheiratet mit einem Mann zusammen! Was Jesus ihr auf den Kopf zusagte, ohne dass er es als Fremder hätte wissen können.
Was sagt uns das heute? Jesus ist heute auch unser Heil. Wodurch kam die Frau zum Glauben - nur durch sein Wort. Und heute? Kommt der Glaube aus der Predigt, denn die ist das Wort Gottes. Jesus hat damals seine Jünger taufen lassen (Joh 4, 2). Auch heute offenbart sich Gott durch unvollkommene Menschen. Aber er gibt ihnen die Kraft und die Macht, zu taufen. Und wir können erkennen, dass es sein Wort ist, das Menschen verkünden. Gottes Wort, das wir annehmen. Und erkennen, dass wir auf Gnade angewiesen sind. Dazu hat Gott die Sakramente gegeben. Und seinen Sohn, den Heilsbringer für die Menschen. Er kann uns das ewige Leben schenken. Aber nicht nur uns. Jesus kam als Heiland für die ganze Welt, die diesseitige wie die jenseitige.
Es steht uns nicht zu, einen "Heilsegoismus" an den Tag zu legen. Da gilt die alte Geschichte: Jesus wendet sich der Frau mit dem doppelten "Handicap" zu: Keine Jüdin. Kein vorbildlicher Lebenswandel. "Trotzdem redet er mit mir?", muss sie sich fragen. Wir sollen andere Menschen nicht nach ihrem Verhalten bewerten. Gott gab seinen Sohn, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Wir haben möglicherweise den Vorteil, eine Gemeinde zu haben, in der alles "funktioniert" wie es soll. Das könnte uns reichen? Nein, trotzdem tätig sein, um allen Menschen göttliches Heil zugänglich zu machen.
Es wird in jedem Gottesdienst das Gebot göttlicher Nächstenliebe angesprochen. Neuapostolische Christen haben nicht das Recht, auf Nicht- oder Andersgläubige herabzusehen. Dein Nächster, wer auch immer, das ist die Aufgabe, die sich dir stellt. Bedeutet nicht, alles gut zu heißen, aber doch, sich jedes Menschen anzunehmen. "Sind wir dankbar für die Erkenntnisse, die dahin führen, dass allen geholfen und Gottes Werk vollendet werden kann."
Hirte Klaus Giringer, Gemeindevorsteher in Herrenberg, freute sich über das Fest der beiden Eheleute: "Gern sind wir heute zum Gottesdienst zusammengekommen!". Er hatte sich im Vorfeld Gedanken darüber gemacht, was es braucht für so ein langes Leben zu Zweit:
Neben dem, was der Mensch selbst nicht steuern kann, sind es insbesondere Beständigkeit und Stabilität. "Bei euch", sagte er, an das Ehepaar gewandt, "da war es die Erkenntnis, von Gott erwählt zu sein. Dieses Angebot habt ihr angenommen. Ein großes Vorbild seid ihr in Sachen Stabilität - alles Drumherum konnte euch nichts anhaben. Beständig wart ihr, wenn es darum geht, sein Leben immer an der Lehre Christi auszurichten." Die Bilanz, die wohl jeder einmal zieht - Was ist unser Ziel, das Ziel des Lebens? Das Vergangene ist sicher wichtig. Wichtiger aber ist die Zukunft. Wir sind auf Gott und seinen Sohn angewiesen, um mit ihnen ewige Gemeinschaft haben zu können. Sie müssen die treibende Kraft in unserem Leben und Handeln sein. "Mit dieser Einstellung und Beständigkeit können wir das ewige Ziel erreichen."
"Dem Nächsten Gutes zu tun, heißt auch, ihm gnädig zu sein. Mit seinen Schwächen großzügig umzugehen. Wie oft ist man bei anderen kleinlich und großzügig bei sich selbst. Umgekehrt soll es sein. Da haben wir im Alltagsleben viele Gelegenheiten, das umzusetzen. Immer das Beispiel Jesus` vor Augen haben, der das Allergrößte getan und gemacht hat. "Mit ihm wollen wir Gemeinschaft haben und den Glauben an ihn bekennen.", leitete der Bezirksälteste zur Feier des heiligen Abendmahls über.
Vor der Segenshandlung für die eiserne Hochzeit erklang, vorgetragen von einem Gesangsduo mit Klavierbegleitung, Dietrich Bonhoeffers "Von guten Mächten treu und still umgeben..." Der Bezirksälteste knüpfte an die Zeile an "Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag." Der Verfasser damals musste jeden Tag mit seinem Tod rechnen. Und dennoch - Gott vertrauen. "Gott vertrauen, einen Tag nach dem anderen nehmen, nicht mehr weit in die Zukunft schauen, das kann ein Rat für die Zukunft sein.", wandte sich Klaus von Bank an das Ehepaar. Und erinnerte sich gern daran, dass es der dritte Segen in einem Zeitraum von 15 Jahren sein würde, den er jetzt den beiden spenden wollte. Humor, Gottvertrauen und Liebe - das hatte das Paar immer ausgestrahlt, wenn er sie daheim vor den Ehejubiläen besucht hatte. "Vorbildlich für uns und ein Fels in der Brandung.", sein Resümee. Eine lange Ehe, für die wir selbst sicher etwas tun können, ist letztlich kein Verdienst, sondern Gnade. Denken wir auch an die, denen das nicht vergönnt ist und die nun allein leben. Freud und Leid miteinander teilen zu können, bedeutet, da ist mir jemand ganz nah, dem ich mich mitteilen kann. "Ihr habt um den Segen gebeten. Nun sollt ihr ihn bekommen." Gott möge alles Gute, alle Opfer, die ihr bringt, segnen. Der Heilige Geist soll euer Begleiter sein. Alle, die Familie, Freunde und die Gemeinde wünschen euch den Segen des Himmels. Alles Gute, bleibt uns erhalten!"
Ein Text- und Musikbeitrag kam zum Schluss. Der Worte gesprochen, dazwischen immer wieder Geigenklänge. Da drehte sich noch einmal alles um die Liebe, die der Menschen zueinander und die göttliche zu den Erdenbürgern (Musik nach dem Lied "Liebe, die du mich zum Bilde deiner Gottheit hast gemacht..." (Nr. 337, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Musik Wolfgang Steyer, 1920 - 1995) Ganz still und feierlich war es geworden, als der letzte Ton verklungen war. Lebhaft wurde es aber wieder, als daran ging, nach vorn zu kommen und den beiden Eheleuten zu ihrem nicht alltäglichen Jubiläum zu gratulieren. Anschließend gab es noch einen Empfang im Foyer der Kirche. Gern blieben viele bei Getränken und liebevoll zubereiteten Häppchen und anderem zusammen.