Rund siebzig nicht mehr ganz junge Glaubensgeschwister freuen sich über das Zusammenkommen im Advent.
An einem windigen, nassen und trüben Samstagvormittag konnte die Seniorenbeauftragte für die Gäugemeinden, Renate Wießner, wie geplant um 11.00 Uhr mit der Begrüßung das lange geplante, gut vorbereitete Treffen in einem weihnachtlich geschmückten Saal eines Herrenberger Hotels beginnen. Gekommen waren auch Bischof i. R. Hermann Kaupp, Bezirksältester Klaus von Bank und Carsten Dehner, Gemeindeevangelist in Herrenberg. Letzterer aus einem ganz bestimmten Grund, aber der, so die verschmitzt lächelnde Renate, der werde erst später verraten.
Klaus von Bank sprach ein Gebet. In seiner anschließenden Begrüßung ging es um ein Gefühl, das nicht nur ihn umtrieb: Schon wieder Adventsfeier? War doch gerade erst, oder? So ist es, besonders bei solchen "einmaligen" Events im Jahresablauf. Da stellt man erstaunt fest, dass schon wieder ein Jahr verflossen sein muss. Ganz prägnant in dem Zusammenhang: Geburtstage. Ist einfach so. Aber an diesem Tag sollten alle nur fröhlich sein und zusammen schöne Stunden in der Gemeinschaft verleben, wünschte sich der Bezirksvorsteher.
Danach trat der Chor 60+ in Aktion mit zwei Liedern. Als die "Heil`ge Nacht" besungen wurde, war es andächtig still im Raum geworden und es dauerte eine Weile, bis der verdiente Applaus kam. Nach und nach, dazwischen immer wieder musikalische Einlagen, wurden nun, Vorleser und Spieler sich abwechselnd, Geschichten vorgelesen bzw. Sketche gespielt. Zuerst eine schwäbische Weihnachtsgeschichte, in der es um den Kaiser Auguschtus ging. Zeiten knapper Kassen herrschten. Da sollte sich auch aus den entlegensten Winkeln seines Herrschaftsgebiets jeder in seine jeweilige Geburtsstadt zwecks Registrierung begeben. Kein Steuerpflichtiger konnte seiner Zahlungspflicht entgehen. Das betraf auch den Zimmermann Josef, gebürtig aus Nazareth, und seine hochschwangere Frau Maria. Der Rest der Geschichte dürfte bekannt sein. Hirten und Engel treffen an der Krippe mit dem Jesuskind zusammen. Alle sind laut und schee ischt`s... Vierstimmiger Chorgesang folgte: "Der Heiland ist geboren... ". Alle Anwesenden gemeinsam ließen danach im Lied fröhlich ihr Herz springen.
Eine Geschichte gab es aus vergangenen schlimmen Zeiten. Eine Familie versteckt jüdische Mitbürger in einem geheimen Raum unter ihrer Wohnung. Sie bekommt an Weihnachten unerfreulichen Besuch. Der forscht nach, befragt alle Familienmitglieder peinlichst. Auch den Jüngsten, ob es hier wohl Juden gebe. Zum Schrecken der Familie ist die Antwort ein "Ja". Das Kind führt die Verfolger ins Wohnzimmer zur Krippe, in der das Christuskind liegt.
Bevor zu viel rührselige Weihnachtsstimmung um sich griff, gab es die Geschichte von Frieda, der letzten Stubenfliege der Saison. Unter einer Stiege im Flur hausend. Niemand will ihr jetzt Böses. Das sah im Sommer mit ihren Artgenossen noch ganz anders aus. Aber sie wurde gehegt und gepflegt. Das steigerte sich bis zu eigenen Fliegengeschenken unterm Tannenbaum mit lauter Süßigkeiten, extra für sie. "Diese Fliege, die hat`s fein, drum möcht ich auch im Winter mal die letzte Fliege sein.", lautete der Wunsch zum Schluss.
Und nun ging wurde das Geheimnis gelüftet, warum Carsten Dehner zur Seniorenfeier gekommen war. "Wir freuet uns ganz arg.", drückte Renate es aus, denn der Evangelist war mit seinem Cello gekommen und spielte in der Instrumentalgruppe mit, die schon mit vorweihnachtlichen Klängen alle erfreut hatte und dies auch im weiteren Verlauf der Feier tat. Ohne das Cello hätte nämlich bei den vielen Flöten der Bass gefehlt, deshalb Renates guter Einfall, doch den Evangelisten nebst Cello zum Mitspielen zu animieren. Besonderer Grund zur Freude war aber, dass es den Senioren anders ging als dem Auguschtus. Sie hatten in ihrer gemeinsamen Kasse einen Überschuss. 400 Euro konnte Renate an Dehner übergeben, der Bereichsbeauftragter für die Jugendlichen ist. Das Geld soll dazu dienen, für Jugendliche aus dem Bezirk Tübingen, die sich das sonst nicht leisten könnten, die Fahrt zum Internationalen Jugendtag in Düsseldorf im Mai 2019 mitzufinanzieren. "Dass wir was dazugeben können.", freute sich Renate. "Und dass ich fürs Spielen mal einen solchen Stundenlohn bekommen würde.", freute sich der Jugendleiter. Den Bezirksvorsteher hielt es nun nicht mehr auf seinem Platz, als es um "seine" Jugendlichen ging. Er kam auch noch mal nach vorn zum Mikrofon. Und machte Werbung für die Sammlung von Altpapier in den einzelnen Gemeinden, das von dort abgeholt und zu einer Annahmestelle gebracht wird, deren Leiter großzügig ist, was den gezahlten Preis anbetrifft. Auch diese Erlöse kommen den Jugendlichen für ihre Aktivitäten zugute. "Jetzt werden wir noch ein bisschen schwätzen und dann werden die uns das Essen schon bringen.", kündigte Renate guten Mutes und voller Zuversicht, was die Verpflegung anbetraf, die nun folgende Mittagspause an.
Zwei Stunden später waren alle, zufrieden, weil gut gesättigt, wieder im Saal versammelt. Sektfläschchen und Süßigkeiten wurden an jeden zum Mitnehmen verteilt. Und zum Wachwerden gab es erst mal Musik. Danach wurde Bischof i. R. Hermann Kaupp gebeten, doch auch etwas zu sagen. Nicht vergeblich, er kam zum Mikrofon. Und bestellte am Ende zum Schluss für die eventuell Daheimgebliebenen, schöne Grüße, "und wenn`s bloß d`Katz ist."
Der Chor, Leitung Gerlinde Kleemann, trat wieder in Aktion. Danach kamen "Berta" und "Ignaz" ans Mikrofon. Ein Ehepaar unterhält sich am Weihnachtsmorgen. Fazit - es gibt keine Tanne im Garten, die man als Christbaum verwenden könnte. Nach langem Hin und Her - die Thuja sollte diesen Zweck erfüllen. Und wurde anschließend von allen gemeinsam als "Lebensbaum, dessen Blätter so schön sind.", nach bekannter Melodie besungen. Es folgte die Geschichte von den beiden Schwestern Agathe und Emma. In ihrer Mietwohnung halten sie ganz insgeheim in der schlechten Nachkriegszeit eine Gans, um sie als Weihnachtsbraten zu verspeisen. Nach Wochen gemeinsamer Häuslichkeit naht das Christfest. Emma soll die Gans schlachten. Sie "tötet" sie mit einem Schlafmittel. Die Gans liegt schlaff auf dem Küchentisch. Wird gerupft und - am Weihnachtsmorgen wankt sie, jetzt nackt und frierend, wie, damals noch im Federkleid die Wochen vorher üblich, von der Küche zur morgendlichen Begrüßung der Schwestern in deren Schlafzimmer. Fürs Erste wird sie liebevoll mit einem Pullover bestrickt. Sieben glückliche Jahre verbrachten die drei, bis die Gans eines natürlichen Todes starb.
Besinnlich wurde es wieder bei der Geschichte vom Krippenspiel, bei dem ein Baby das Kind in der Krippe ist, das kein hellhäutiges ist. Konnte das die richtige Besetzung dieser Rolle sein, fragte sich mancher. Drei Landsleute des Kleinen kommen unangemeldet auf die Bühne, mit Geschenken. Sie hätten nach ihrem Nachbarssohn schauen wollen. Ob es dem auch gut gehe? Die Szene kam allen irgendwie bekannt vor, oder? Da merkte man, dass die Bedenken wegen der Fremdheit des Kindes völlig abwegig gewesen waren. Beim Kind in der Krippe und seinen Besuchern geht es nicht um Nationalität und Hautfarbe. "Nun kommt der Heiden Heiland...", setzte der Chor den Schlusspunkt unter diesen Aspekt des Geschehens vor rund zweitausend Jahren.
Inzwischen hatte Bezirksevangelist Werner Lampprecht den Platz des Bezirksältesten eingenommen. "Er wolle auch noch mal `Grüß Gott` sagen, " hieß es. Und kam gerade rechtzeitig zum großen Kaffeetrinken. Die Tafel mit den selbst gebackenen mitgebrachten Kuchen und Torten wurde gerade aufgebaut. Wie jedes Jahr war mit viel Liebe und Fleiß der Back- und Konditorkunst gehuldigt worden. Man ließ es sich gut schmecken. Die Teller beim Kaffeegeschirr hätten gern etwas größer sein können. Muss man halt öfter ans Buffet. Gegen 17 Uhr gab es noch ein Schlussgebet und den Dank an Renate und ihr Team für ein wieder einmal gelungenes Beisammensein im Advent. Was bleibt - die Erinnerung an einen schönen Tag und der für jeden das ganze Jahr über geltende Rat, der, auf ein zusammengerolltes Zettelchen gedruckt und am Sektfläschchen befestigt, mitgegeben wurde:
"Ein freundliches Wort kostet nichts und dennoch ist es das Schönste aller Geschenke."
(Daphne du Maurier, 1907 - 1989)