Die Mitglieder einer der Kirchengemeinden im Gäu freuen sich über einen besonders schönen Sonntagmorgen.
"... Nicht die Hälfte hat man mir gesagt,
nicht die Hälfte der Herrlichkeit droben,
nicht die Hälfte hat man mir gesagt!"
(Refrain Lied Nr. 109, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, "Einstens las ich von einer Stadt Salem...", Musik Otto F. Presbrey, 1820 - 1901)
Damit begann der musikalische Reigen vordem, im und nach dem Gottesdienst in Öschelbronn an diesem sehr nebligen Novembersonntagmorgen. Der Solo-Teil des Lieds, gespielt nur von den Geigen. Umso mächtiger erklang der Refrain, bei dem alle Instrumente zum Einsatz kamen. Ein Dutzend Spieler einschließlich der beiden Dirigentinnen, die auch selbst mit musizierten, hatte sich von überall her im Bezirk in der Frühe aufgemacht, um mit ihrem Spiel einfach "nur" anderen eine Freude zu machen. Dafür dankte Gemeindevorsteher Frank Bitzer, der den Gottesdienst leitete, im Eingangsgebet dem himmlischen Vater, der das gute Vorhaben hatte gelingen lassen.
"Ich freue mich ganz arg, dass die Instrumentalgruppe hier ist und wir gemeinsam diesen letzten Sonntag im Kirchenjahr erleben dürfen. Schön, miteinander in die Zukunft zu blicken.", hieß es im Zusammenhang mit dem eingangs verlesenen Text aus dem Neuen Testament: "... Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, ..."(Offb 21, aus Vers 3). Der Blick in die Zukunft, wenn man sieht, welche Gefahren gegenwärtig sind, da könnte es schon manchmal ein mulmiges Gefühl geben. Gott will uns in die Seele legen: Bleib gelassen. Lass dich nicht beirren. Auch wenn du Manches nicht überblickst.
"... und ihre Heiligen sollen fröhlich sein.", zitierte Bitzer den Refrain des zu Beginn des Gottesdienstes gespielten Lieds. (Chorbuch Nr. 351, "Der Herr hat Zion erwählet...", Komponist unbekannt). Wer dazu gehört, das entscheidet Gott ganz allein. Da werden Menschen zusammengeführt, egal, ob alt oder jung. Da sind die einen, die noch die Kriegswirren miterlebt haben, sprach der Vorsteher den 92-jährigen ältesten Glaubensbruder in der Gemeinde an. Und die Jungen, die noch viele Erfahrungen vor sich haben. Sie alle gemeinsam sollen in der Ewigkeit bei Gott sein.
Und Gott wird bei ihnen wohnen. Wie das sein wird? Das können wir nicht sehen. Und auch nicht verstehen. Setzen wir uns besser mit dem auseinander, was er von uns möchte. Da wird uns Vieles im Gottesdienst klar: Warum wir manche Dinge erleben müssen. Im Alten Testament gab es die Stiftshütte, das Allerheiligste, wo Gott sich offenbarte. Aber nicht immer und zu jeder Zeit. Die dauernde Gemeinschaft mit Gott hatte es nur, bis zum Sündenfall, für Adam und Eva im Paradies gegeben. Danach nie wieder. Wir dürfen eine Zeit erwarten, in der "die Hütte Gottes bei den Menschen sein wird."
Gott segnet jeden. Aber er möchte auch unser Bekenntnis. Die Zukunft liegt in unserer Hand, indem wir Vertrauen haben. Versuchen wir nicht, alles zu verstehen. Gott wird nach seinem Wohlgefallen handeln, An uns ist es, uns entsprechend unseren Möglichkeiten um die gemeinsame Zukunft mit Gott zu bemühen. "Gott wird seinen Segen dazu geben!"
"Der letzte Sonntagsgottesdienst im Kirchenjahr, bevor der von der Erwartung der Geburt Christi geprägte Advent beginnt.", fuhr ein Priester aus der Gemeinde fort. Ein Gottesdienst mit dem Ausblick in die Zukunft, wenn sich alles andere Vorhergesagte erfüllt haben und die Neue Schöpfung Gegenwart sein wird. Die jetzt schon da ist, aber nur der allmächtige Gott kennt sie. Wir haben die Chance, einmal darin leben zu dürfen. Wollen wir sie nutzen, dann haben wir das Bestreben, uns an Jesus` Vorbild auszurichten: Nächstenliebe zu üben. Zu unserer Erlösung an Jesus` Opfer zu glauben, weil wir als sündige Menschen der Gnade bedürfen. Dabei gilt es, sich nicht ablenken zu lassen, sondern immer das Ziel im Auge zu behalten. Nicht wie der Smartphone-Nutzer, der, auf der Autobahn fahrend, seinen Blick nicht auf den Verkehr richten kann, weil ihm anderes wichtiger ist. Und oft bitter dafür bezahlen muss.
Ein weiterer Priester aus Öschelbronn drückte seine Freude über den besonderen Rahmen des Gottesdienstes aus. Danach verwies er auf das Navigationsgerät, das zu Beginn einer Fahrt mit Angaben gefüttert werden will - Start und Ziel. Der Mensch darf sein Leben in den Armen der Eltern beginnen, die wollen, dass es ihm gut geht. Dann kommen die Ziele, Schule, Beruf, Partner, Familie und dazu die materiellen Mittel, um Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Im Glauben ist es das Ziel, schlussendlich mit Gott zusammen zu sein. Die irdischen Ziele lassen sich in geschätzt vielleicht 20 bis 30 Jahren erreichen. Eine ganz andere Dimension hat das Erreichen des himmlischen. Mit dem Verstand nicht zu erfassen. "Herr, komme bald, ..." (Chorbuch Nr. 421, Text Hermann Ober, 1926 - 2006) spielte der Priester, Dirigent des gemischten Chors in Öschelbronn, auf ein Lied an. "Das wollen wir immer als unser Ziel vor Augen haben. Auch dann, wenn sich auf meinem persönlichen Navigationsgerät, durch mein Leben hindurch, die Route mal ändert und wir Dinge erleben müssen, die wir uns so gar nicht gewünscht haben."
Frank Bitzer dachte an die Jüngeren, denen die Fokussierung auf dieses Ziel als ein nahes schwerer fallen könnte. Es gibt doch noch so viel zu erleben, auszuprobieren... Da kam wieder der älteste Glaubensbruder in der Gemeinde als Beispiel: Würde man ihm aufzeigen, was er in seinem langen Leben alles versäumt haben könnte, käme sicher die Antwort: "Ich brauch des nimmer." Daher das Fazit des Gemeindevorstehers: "Lasst uns gelassen sein, was die Zukunft angeht. Es reicht uns, dass Gott bereit ist, jedem seine Liebe und seine Gnade zu schenken."
Nach dem Gottesdienst kamen gemischter Chor und Orchester zu einem gemeinsamen Einsatz: "Der Herr ist mein Licht, ist mein Licht und ist mein Heil; was fürcht ich noch!" (Chorbuch Nr. 162, Text nach Ps 27, 1 - 4). Bleibt anzumerken, dass sich die Mauern der Öschelbronner Kirche als standhafter erwiesen als die von Jericho.
"Danke", sagte Bitzer zu den SpielerInnen. "Was ihr gebt, das ist etwas ganz Besonderes." Und lud zu Kaffee und Hefezopf im Untergeschoss ein. Wer den Weg dahin noch nicht gekannt hatte, hätte ihn, alle Türen standen jetzt offen, auch so, selbst mit verschlossenen Augen, nicht verfehlt. Immer der Nase folgen und dem betörenden Geruch dieser schwäbischen Spezialität nachgehen, den sie hat, wenn sie ganz frisch ist.