Ein dankbarer Rückblick und ein hoffnungsvoller Ausblick: Die Gemeinden Tübingen und -Pfrondorf werden zusammengeführt.
"Tausendmal hab ich empfunden seiner Gnade Wunderhand,
durch den Trost durft ich gesunden, den mein Herze bei ihm fand.
Fest ich bleibe bei dem Einen: Christus in dem Geistesamt,
dessen Feuer in den Seinen Lieb und Eifer neu entflammt."
(Nr. 195, Vers 3 Gesangbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Text Ernst Heinrich Gebhardt, 1832 - 1899)
Zum letzten Mal waren sie in der Kirche in der Süßerstraße 29 zusammengekommen - Glaubensgeschwister aus der Gemeinde wie auch solche aus Tübingen, alle zwölf Vorsteher des gleichnamigen Kirchenbezirks mit ihren Frauen und viele andere, die sich den Pfrondorfern verbunden fühlten. "Er aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns geliebt und einen ewigen Trost gegeben hat und eine gute Hoffnung durch Gnade, der tröste eure Herzen und stärke euch in allem guten Werk und Wort." (2. Thess 2,16,17)
So lautete das zu Beginn von Apostel Martin Schnaufer vorgelesene Bibelwort für einen besonderen Gottesdienst, zu dem wohl alle, wie es im Eingangsgebet formuliert wurde, mit bewegter Seele gekommen waren. Aber, ob in der "alten" oder in der "neuen" Gemeinde bleibt der Inhalt des Lebens als Gotteskind: Jesus Christus folgen. Eigentlich nichts Kompliziertes. Aber die Nachfolge ist nie eine nur passive Angelegenheit. Als der Gottessohn sein erstes Wunder tat - auf einer Hochzeit Wasser in Wein verwandelte - sollten von anderen die riesigen leeren Fässer mit Wasser gefüllt werden. Ziemlich viel Arbeit, wieso, weshalb, warum? Tut, was er euch sagt, hieß es da nur. Bevor Jesus Lazarus vom Tod erweckte, mussten andere den Stein von seinem Grab wegrollen. Elias in seiner Kummerhöhle wollte den Herrn sehen. Zuvor musste er dazu der Aufforderung folgen, erst einmal aus seinem Verlies herauszukommen. Zum eigenen Zutun muss der Glaube an Gottes Wort kommen. Damals in der Zeit der ersten Christen verlangten die Juden nach einem göttlichen Zeichen. Die Griechen wollten Erklärungen. "Wir aber predigen den auferstandenen (gekreuzigten) Christus" (vgl. 1. Kor 1,23). Es ist in keinem anderen Heil. Tut, was er euch sagt. Auch wenn sich die äußeren Verhältnisse ändern können. Es ist egal, in welchem Gebäude man dieses Heil sucht und findet.
Auf das Bibelwort eingehend, sagte der Apostel: Gott hat uns geliebt und einen Trost gegeben - z. B. in der Trauer, während einer Krankheit, bei wirtschaftlichen Problemen. Wie? Er lässt uns immer wieder einmal erleben und sehen, zum Beispiel in einem Gottesdienst, wie nahe er uns ist. Größer als unsere Not ist immer der himmlische Vater. Sein Sohn hat als Mensch alles erlebt, was ein Erdenleben mit sich bringen kann. Er versteht uns. Auch, wenn wir beim Blick auf die eigenen Unzulänglichkeiten niedergedrückt sind. "Was ich nicht will, das tue ich und umgekehrt," müssen wir oft feststellen."Gott nimmt uns auch heute unsere Sünden ab und das ist mit keinem Vorwurf verbunden." Schnaufer bezog sich auf den oben zitierten Vers des gemeinsam gesungenen Eingangslieds. "Tausendmal seiner Gnade Wunderhand empfunden..." - Nie mussten wir erleben, dass es hieß: Vorsätze nicht umgesetzt - jetzt reicht`s aber!
Manche leiden, weil die Wiederkunft des Herrn immer noch nicht geschehen ist. Wir laufen gern Gefahr, das mit Ereignissen im persönlichen Leben zu verbinden. Da wünscht man sich das Kommen des Herrn ganz dringend, um der Matheklausur zu entgehen. Nicht ganz ernst gemeint. Aber sehr ernst gemeint in einer Situation, in der man gerade einen geliebten Menschen verloren hat, der einem fehlt, und man Sehnsucht verspürt. Wir dürfen sicher sein, dass der Herr seine Verheißung nicht verziehen wird. Wir kommen ihr immer weiter Stück für Stück näher, womit ihre Erfüllung keineswegs unwahrscheinlicher wird.
Durch die Medien wird uns alles Elend weltweit bekannt gemacht. Und auch im Nahbereich erlebt man Menschen, die verzweifelt sind und keinen Sinn in ihrem Leben zu erkennen vermögen. "Lieber Gott, warum ist das so?" Wie tröstet er dann - durch den Heiligen Geist vermittelt er immer wieder neu: Alle Menschen werden von ihm gleichermaßen geliebt. Für alle will er eine Zukunft in ewiger Gemeinschaft mit ihm schaffen. Wir können von allem immer nur einen Ausschnitt sehen. Die "Lücken" lassen sich nur mit Gottvertrauen schließen: "Wenn er das so sagt, dann will ich das so hinnehmen". Mit der Einstellung kann ich meinen Trost finden.
Wenn man die Entwicklung der Neuapostolischen Kirche sieht - befindet sie sich auf dem Rückzug? 1930, 1950, da war alles noch ganz anders. Zu jeder Zeit muss man die angemessenen, richtigen Entscheidungen treffen. Früher war es richtig, in jeder Ortschaft zu den Menschen zu gehen und die Glaubensüberzeugung so weiterzutragen. Heute müssen die vorhandenen Kräfte gebündelt werden. Kinder, Jugendliche, Senioren wollen nicht Solitäre in ihren Gemeinden sein, sondern sich mit anderen in ihrem Lebensalter treffen. Da macht es Sinn, sich gemeindeübergreifend zusammen zu schließen. Es tut immer weh, wenn eine Gemeinde als eigene nicht erhalten bleiben kann. Das beschließt man nicht mit großer Begeisterung. Aber es bleibt das Tröstliche, dass Gott sein Werk vollenden will, egal wie die äußeren Umstände sind. An uns ist es, uns in unserer Lebenszeit das zu tun, was er sagt. Auch wenn wir manchmal meinen, jetzt, jetzt müsste er aber mal... Gott entscheidet souverän und aus anderer Warte. Dabei ignoriert er menschliche Befindlichkeiten nicht, denn er will allen helfen.
Was kann ich beitragen? Ich will an meinem "Ja" zum himmlischen Vater festhalten. Meinen Glauben leben. Und finde als Sünder meinen Trost in der Sündenvergebung. Was nicht heißt, jedes Fehlverhalten einfach zu akzeptieren. "Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.", sagte Jesus zu der Frau, die große Schuld auf sich geladen hatte. Wir werden nicht alles schaffen, aber Gott sieht unser ernsthaftes Bemühen. Er hält an seiner Verheißung fest und ich will meinen Teil dazu beitragen. Ich will den Nächsten lieben. Wie wichtig ist es mir, das vorbehaltlos zu tun und keine Unterschiede zu machen? Leben wir in der Gesellschaft als gläubige Christen das Evangelium? Setzen wir ein klares Zeichen für Jesus Christus. Dazu gehören auch so leidige Dinge wie etwa Steuern zu zahlen... Gehen wir mit der Umwelt verantwortungsbewusst um? Nehmen wir uns Jesus als Vorbild, folgen wir ihm einfach nach. Je mehr uns das gelingt, desto mehr haben wir Freude daran, in dem zu leben, in freudiger Erwartung der Wiederkunft Christi.
Gemeindevorsteher Walter Huber, ein letztes Mal in Pfrondorf am Altar stehend, würdigte diesen Tag als einen besonderen. Mit einem besonderen Wort: Glaube und Trost. Was ist alles in den Jahren geschehen... Weiter geht es mit dem Glauben. Der Verstand bleibt so oft "kleben", aber mit dem Glauben kann man fliegen. Bist du noch mit Begeisterung dabei? Lassen wir uns vom Glauben tragen, dann haben wir den richtigen Blick. Und Trost? Denken wir an eine Mutter, die ihr Kind tröstet. Sie nimmt es in den Arm. Ist einfach da. Zeigt durch ihre Nähe, dass sie ihr Kind gern hat. Wenn auch, wenn gerade ein Missgeschick passiert ist, mit dem warnenden Hinweis, besser aufzupassen. Und trotzdem, es wird immer wieder etwas aus den Fugen geraten. Mit dem Verstand ist dem nicht beizukommen. Aber der Glaube wird es richten.
Bezirksvorsteher Klaus von Bank, ein Pfrondorfer, sprach von einem denkwürdigen Tag. 84 Jahre gab es die Gemeinde, da werden sich die Wenigsten aus eigenem Erleben an die Anfänge erinnern können. Aber wenn man mit Überblick zurückschaut, dann macht das dankbar. Wichtig ist, weiterzugehen und mitzugehen. Nicht bei Äußerlichkeiten stehen zu bleiben. Ein Vorsteher des Bezirks überblickt letzteren, ein Ganzes. Und er hat auch einen Überblick über die Glaubensgeschwister in den Gemeinden des Bezirks. Harmonie, ein Mit- und Füreinander, das sind nicht nur fromme Wünsche, das wird gelebt. In einer Gemeinde, die nicht an einem bestimmten Ort festgemacht werden kann. Wenn Pfrondorf jetzt mit Tübingen zusammengeführt wird, dann ist das kein Grund zum traurig Sein. Auch nicht, um undankbar und untröstlich zu sein, denn es gibt Gegenden in der Gebietskirche, da sind ganz andere Entfernungen zu überwinden, um ins Gotteshaus zu kommen. In Pfrondorf haben insgesamt acht Vorsteher gewirkt, die auch nicht alle aus dem Ort stammten. "Wir sind eine Gemeinde mit dem gemeinsamen Ziel, die Wiederkunft Christi zu erleben. Egal kann uns sein, in welcher Gemeinde das dann sein wird. Was uns gesagt wird, das wollen wir auch in Zukunft freudig tun. Mit einem dankbaren Rückblick und einem hoffnungsvollen Ausblick."
"So, wie der Herr in der Vergangenheit mit uns war, wird er das auch in Zukunft sein.", beschrieb der Apostel den Rückblick und den Ausblick. Der Mensch hätte Manches gern und das gleich sofort. Geschieht das nicht, stellt er dann oft später fest: Zum Glück ist es nicht so gekommen, wie ich es gewollt habe. Dass nicht ich entschieden habe, sondern der liebe Gott. "Lasst uns mit Freude und Zuversicht uns nicht abwartend verharren, sondern unsere Zeit bis zur Wiederkunft Christi gestalten. Zum letzten Mal wollen wir hier das heilige Abendmahl feiern. Lasst uns unsere Dankbarkeit hineinlegen in die engste Gemeinschaft mit Gott."
Nach der Feier des heiligen Abendmahls war es so weit: Walter Huber, dreißig Jahre lang Vorsteher der Gemeinde Pfrondorf, wurde an den Altar gebeten. Da es keine zur Ruhesetzung war, gab es auch keine Blumen... Aber ein großes "Herzlichen Dank" vom Apostel für die Arbeit als Vorsteher, die nun endete. Keiner weiß, was es in den dreißig Jahren an Schönem gab. Und auch nicht, was man tragen musste. "Als Amtsträger ist es wichtig, ein Werkzeug in Gottes Hand zu sein und immer ein Anliegen, den lieben Gott in den Vordergrund zu stellen. Er war der Wirkende und deshalb konnten Segen und Freude sein. Dafür gibt es sicher viele dankbare Herzen. Und als Amtsträger wird Priester Walter Huber, ebenso wie die weiteren Priester und Diakone der Gemeinde, auch in Zukunft tätig sein. Auch in der zusammengeführten Gemeinde Tübingen haben sie ihre Ämter und werden mit ihren Erfahrungen, die sie mitnehmen, dort dienen. Die Gemeinde hatte die Entscheidung zur Zusammenlegung mitgetragen. Dafür gab es herzlichen Dank. "Alles Gute!"
Es folgte ein Rückblick in die Geschichte der Gemeinde, vorgetragen von Walter Huber.
"Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit." (Nr. 259 Gesangbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Refrain Verse 1 - 4, Text Paul Gerhardt, 1607 - 1676), begann er. 1934 wurde die selbstständige Gemeinde Pfrondorf gegründet. Rund dreißig Jahre lang fanden Gottesdienste in privaten Wohnungen statt, bis im Februar 1960 das - inzwischen zweimal renovierte und umgebaute - Kirchengebäude in der Süßerstr. 29 bezogen werden konnte. In der Blütezeit hatte die Gemeinde 60 Mitglieder und acht Amtsträger. Zwanzig Sänger gab es, von denen einige in Doppelfunktion auch in der Instrumentalgruppe mitwirkten. Dazu zehn Sonntagsschulkinder. Acht Gemeindevorsteher waren es seit 1934. Bis heute gut bekannt bei allen im Bezirk der jetzige Bezirksvorsteher (von 1981 - 1988) und "seit 1988 muss die Gemeinde mich aushalten.", so Walter Huber. Den Gemeindemitgliedern war es wichtig, auch in der politischen Gemeinde im Tübinger Ortsteil Pfrondorf mitzuwirken. Musikalisch mit der Instrumentalgruppe, "gastronomisch" mit einem Stand beim Dorffest und mit Rat und Tat im Kulturausschuss. Walter Huber freute sich, an diesem Abend auch Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Pfrondorf in der Kirche begrüßen zu dürfen. Im Jahr 2018 sind es noch 40 Kirchenmitglieder, die Hälfte davon aktiv am Gemeindeleben beteiligt, und vier Seelsorger. Walter Huber war sich sicher - schon seit einigen Wochen besuchen die Pfrondorfer die Gottesdienste in Tübngen - dass sie dort willkommen sind. "Herzlich sind wir dort aufgenommen werden." Wir schulden Gott unseren Dank - Soli deo gloria", bezog er sich auf Johann Sebastian Bach, der seine Werke mit diesen drei Worten zu unterzeichnen pflegte.
"Zwischen den Zeilen gab es bestimmt noch viel mehr.", war sich der Apostel nach diesem Überblick sicher. Mit dem Schlussgebet sollte nun äußerlich etwas zu Ende gehen. Nur äußerlich, denn das geistige Zuhause bleibt. Er bat darum, dass mit Gottes Hilfe weiter Gemeinsamkeit erlebt werden könne. Gott möge mit seinem Frieden und Segen dabei sein. Schnaufer dankte für alle Opfer, die gebracht wurden. "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes entwidme ich diese Kirche."
Im Nebenraum der "Kirche", die nun keine mehr war, wurde noch zu Getränken und Häppchen eingeladen. "Für ein paar gemütliche Augenblicke miteinander.", wie Walter Huber es sich wünschte. Das klappte auch in jetzt profanen Räumlichkeiten wunderbar, denn das Wesentliche einer Gemeinde, die Menschen, bei denen hatte sich nichts geändert.
Die freuten sich, beieinander zu sein und Gemeinschaft pflegen zu können.
Bleibt das Schlusslied des Chors noch zu erwähnen. "Der Herr behüte dich..." (Nr. 159, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Text Ps 121, 7,8). Das ausführliche Zitat ist an dieser Stelle nicht noch einmal notwendig, denn schon am Schluss des Mittwochsgottesdienstes der Vorwoche in Tübingen hatte der Chor dieses Lied zum Abschluss vorgetragen (siehe Bericht). "Damals" noch zwei Gemeinden, aber schon ein gemeinsamer Wunsch.