"Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses..." (Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 107, Text Ps 26,8 und 95,6)
An dieses zu Beginn des Gottesdienstes vom gemischten Chor unter Leitung von Markus Herr gesungene Lied knüpfte der Bischof an. "Sicher haben wir heute im Lauf des Tages die eine oder andere Begegnung gehabt. Nicht jede löst Freude und Begeisterung aus. Gelegentlich könnte man vorsorglich die Straßenseite wechseln... So soll es jetzt nicht sein. Konzentrieren wir uns auf die Begegnung mit Gott. Die bewirkt immer etwas. Sie muss etwas auslösen. Heiniger erinnerte an Paulus auf dem Weg nach Damaskus: Er begegnet dem Herrn und sein ganzes Leben ist nicht mehr wie es war. Mose, der flüchten muss, weil sein impulsives Handeln ihn hat schuldig werden lassen. Und der eine Begegnung mit Gott "im feurigen Busch" hat, die sein Leben verwandelt.
"Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels." (1. Mose 28,17) Das erste Kapitel Mose, dem das Bibelwort für den Gottesdienst entnommen war, ist überschrieben: "Jakob schaut die Himmelsleiter". "Der war zu der Zeit in großer Bedrängnis, weil er sich das Erstgeburtsrecht erschlichen hatte. Er musste fliehen und wusste nicht, wohin. Da hatte er den Traum von der Himmelsleiter.", erläuterte der Bischof den Kontext des Textworts. Da war die Leiter, die von der Erde bis an den Himmel reichte. Engel stiegen daran auf und nieder. Und oben von der Leiter herab verhieß ihm Gott: "Ich werde das Land, auf dem du liegst, dir und deinen vielen Nachkommen (die alle erst noch geboren werden mussten, aber auch das erfüllte sich) schenken. Ich bin mit dir!" Jakob war sich beim Aufwachen ganz sicher: Gott hatte mit ihm gesprochen. Wir sehen den himmlischen Vater zwar nicht, aber wir können uns auch ganz sicher sein: Er redet mit mir. Erlebst du das auch so? Noch einmal an das Lied des Chors anknüpfend, wurde gefragt: "Ist das so, dass dieser Ort mir so wert ist? Dass es nur darum geht, Gott allein anzubeten und alles andere schweigen muss?"
Im neuapostolischen Sprachgebrauch heißt es, wir "heiligen" uns vor einem Gottesdienst. Das nur äußerlich zu tun, reicht nicht aus. Vielmehr sich bewusst darauf konzentrieren, wer mir begegnen wird. Es ist Jesus. Dann ist sein Maßstab entscheidend. Dann hinterfrage ich meine eigene Meinung. Im Bewusstsein, Gott will mir nahe sein. Das allein zählt. Aufnehmen kann ich das nur mit dem Glauben. Nicht wie im Alltag, wo ich mit dem Verstand arbeite. Wobei beides nicht in Konkurrenz zueinander steht. Gott hat uns das eine wie das andere geschenkt. Aber zu ihm kommen wir im Glauben, nicht mit dem Verstand..
Jakob damals hatte die innere Sicherheit: Hier ist die Stätte für mich. Die, das verbildlicht die Himmelsleiter, eine Verbindung zu Gott hat. Zu ihm, der uns etwas schenken will. So ist er mir nahe. Das kann ich aber nur erleben, wenn ich mein Herz öffne. Welche Erwartungen habe ich an einen Gottesdienst? Will ich anderen Menschen begegnen? Erhoffe ich mir Hilfe, vielleicht, um gesund zu werden? Jakob wusste: Hier ist nichts anderes als Gottes Haus. Wir müssen uns prüfen. Sehe ich da auf meine eigenen Erwartungen, kann ich nur enttäuscht werden. Hier ist nichts anderes als der Ort, an dem Gott wirkt durch den Heiligen Geist. Sich das bewusst zu machen, das bedeutet, sich zu heiligen. Dabei ist es unerheblich, ob das Drumherum, das Äußere, in Ordnung ist. Warum setze ich meine Gaben auch im Natürlichen im Haus Gottes ein? Nicht, um mich hervorzuheben. Das wäre menschliches Denken. Hier ist auch nicht eine besonders gelungene Predigt zu erwarten. Nein, "nur" Gottes Haus. Der menschliche Maßstab zählt nicht.
"Bruderlieb erfüllt mein Herz, es vergisst der Kränkung Schmerz - " zitierte Heiniger aus Vers 3 des gemeinsam gesungenen Eingangslieds (Nr. 125, Gesangbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Textdichter unbekannt). Ja, gekränkt sein kann man schon mal. Trotzdem geht es aber im Gotteshaus nicht darum, in einem Konfliktgespräch die eigene Meinung kund zu tun. Hier gilt nur der Maßstab des Sohnes Gottes. Er begegnet dem Nächsten vorbehaltlos in Liebe. Jakob erlebte das in einmaliger Weise. Schuldig geworden nach dem Gesetz, hatte er etwas ganz anderes erwarten müssen als die Begegnung mit Gott und dessen Verheißung: Ich bin für dich da. Auch, wenn du mich enttäuschst. Jakob war es klar: Hier ist die Pforte des Himmels. Für mich sollen diese "Säulen" entscheidend sein: Wachse ich immer mehr in Jesus` Wesen hinein? Nehmen wir uns vor, zu werden wie er?
Der Bischof erinnerte an das Konfirmationsgelübde: Dem Teufel zu entsagen und Gottes Wort getreu zu sein. "Das möge im Mittelpunkt stehen. Auch wenn wir, genauso wie Jakob damals, nicht perfekt sind. Lasst es uns vornehmen, das Gelübde zu `bezahlen`, es in die Tat umzusetzen. Damit wir motiviert sind, auf Jesus zu vertrauen, bis er wiederkommt."
Bezirksevangelist Werner Lammprecht vertiefte den Kern der Aussage: Hier ist nichts anderes als Gottes Haus. Der Altar ist eine geweihte, heilige Stätte, wo Leib und Blut Christi gereicht werden. Jakob erkannte, dass der Ort seines Traums geheiligtes Land war. Obwohl er als Erbschleicher auf der Flucht war, wandte sich Gott ihm zu. Nach damals geltendem Recht - Auge um Auge, Zahn um Zahn - hatte er anderes verdient. Auch wir als sündige Menschen hätten eigentlich Strafe verdient. Aber Gott ist gnädig. Wenn wir reumütig kommen. Dann haben wir eine große Zukunft vor uns.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls wies Heiniger darauf hin, dass sich durch sie nur dann etwas verändern kann, wenn wir sicher sind: Das ist Gottes Haus. Wenn wir öffentlich bekennen: Sein Maßstab ist auch der unsere. Das geschieht mit dem Vaterunser. Auf die Bedeutung des letzten Tags im Oktober eingehend, an dem der Gottesdienst stattfand, hieß es: Vor über 500 Jahren erkannte Martin Luther, dass der Ablasshandel nicht der richtige Weg sein kann. Man kann Gnade nicht kaufen. Am Reformationstag damals entstand Entscheidendes: "Gnade erfährt man nicht durch einen Ritus. Man muss sie mit dem Herzen ergreifen."
Der Wunsch, der nach dem Gottesdienst allen musikalisch vom Chor mitgegeben wurde, gilt über den Tag hinaus und soll daher am Ende dieses Berichts stehen:
"Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele;
der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an,
von nun an bis in Ewigkeit, bis in Ewigkeit!"
(Chorbuch Nr. 159, Text Ps 121,7,8)