Eingeladen sind die nicht mehr ganz so jungen Glaubensgeschwister aus den Bezirken Tübingen und Nagold.
"... ich will keines anderen sein."
(Refrain der drei Strophen des Eingangslieds "Jesus, meiner Seele Leben,...", Nr. 353 Gesangbuch der neuap. Kirche, Text Christian Scriver, 1629 - 1693)
Eine sehr dankbare Gemeinde sei zusammengekommen, so die Worte des Bischofs im Eingangsgebet. Die Jahrzehnte einer lebendigen Führung durch den himmlischen Vater erlebt habe. "Wenn sich auch im Irdischen viel verändert hat, Du, Gott, lässt uns nicht allein." Es war, bis auf die Empore, ein fast auf den letzten Platz mit Glaubensgeschwistern aus den beiden Bezirken gefülltes Gotteshaus an diesem leicht frühherbstlichen Sonntagmorgen. Bezirks- und Gemeindevorsteher sowie ihre Stellvertreter sorgten dafür, dass rechts und links vom Altar kein Platz leer blieb. Und, um es vorweg zu nehmen, vom Chor, bestehend aus Mitgliedern beider Bezirke, unter Leitung von Gerlinde Kleemann, kam die immer passende, wohlklingende musikalische Begleitung. Nicht vergeblich hatte es im Vorfeld Chorproben gegeben, eine sogar zusammen mit den Nagoldern, die dafür den Weg nach Herrenberg nicht gescheut hatten.
Wenn wir über unser Leben nachdenken, können wir Gott nur loben, dafür, dass er uns immer wieder aus der Tiefe herausgeholt hat. Wenn wir uns gefragt haben, wie schaffe ich das bloß, dann mussten wir nicht in der Sorge bleiben. Das gibt uns Sicherheit für alles, was noch kommen mag. Und das Größte und Schönste steht noch vor uns. Wenn es schwer wird, dann sich sagen: Ich habe ein Ziel, das wir miteinander erreichen wollen. Gott will uns in jedem Gottesdienst ein bisschen Vollkommenheit schmecken lassen. Hat man Hunger, dann freut man sich auf ein bevorstehendes Essen. Im Gottesdienst "am Tisch des Herrn" kann jeder dessen Reichtum schmecken. Als Kind macht man die Erfahrung, dass manches Essbare besser mundet als es aussieht. Auch schwierige Situationen haben ihren Wert. Gott kann uns da so nah sein. Auch dann, wenn man älter wird, gilt: Die Zukunft wird schöner als alles, was wir bisher erlebt haben. Vielleicht ist das eine oder andere nicht mehr so einfach zu schaffen wie in jüngeren Jahren. Aber hängt das Glück an dem, was man noch im Irdischen vermag? Das vergeht. Der Reichtum in der Seele wird nicht weniger. Immer noch steht an erster Stelle die Freude am Kommen Jesus`. Schon in der Urkirche kam der Gedanke auf, dass nach und nach schon so viele Christen in die Ewigkeit gegangen waren, aber der Herr noch immer nicht zurückgekommen war. Und schon damals galt: Wir bleiben dabei. Unser Herr kommt. Das verbindet uns auch mit der Ewigkeit.
Manche damals haben versucht, das Problem mit dem Verstand zu lösen. Haben nach Gesetzesgerechtigkeit gesucht und nicht nach der Glaubensgerechtigkeit, die eine andere ist. In dem Kontext ist das eingangs verlesene Textwort zu sehen, denn der Apostel Paulus hatte erkannt, dass erstere nicht der richtige Weg ist. Deshalb seine Worte: "Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet." (Röm 10, 10). Es ist göttliches Gebot, von Herzen zu glauben und das Evangelium bewusst zu leben.
Zu diesem Glauben passt es nicht, über versäumte Gelegenheiten zu klagen. Nach dem Motto, ja, wenn ich das gewusst hätte, dann... Wer mit dem Herzen glaubt, der wird erleben, dass letztlich alles richtig ist so wie es ist. Mit dem Verstand, der sonst durchaus von Nutzen ist, kann dieser Glaube nicht erfasst werden. Großeltern und Enkel verstehen sich oft äußerlich nicht, weil sie ein unterschiedliches Vokabular pflegen. Und sie verstehen sich doch, weil sie mit dem Herzen beieinander sind.
Das Beispiel von Simeon und Hanna. Der eine, quasi Amtsträger im Ruhestand, und die andere, hochbetagt, hielten fest an der Verheißung des Herrn. Es drängte sie immer noch, täglich in den Tempel zu gehen. Das Leben im Herrn und mitten in der Gemeinde zu finden. Es drängte sie, im Tempel zu bleiben. Auch im Alter gibt es Lebensfragen. Jeder will sein Leben selbstständig führen. Da ist es eine Herausforderung, einzusehen, dass man auf Hilfe angewiesen ist und sie sucht und akzeptiert. Wer mit dem Herzen glaubt, wird seine Entscheidungen danach treffen, auch wenn der Verstand zweifelt.
Der Glaube mag heute andere Ausprägungen haben. Wer sich mit dem Katechismus befasst, wird feststellen, dass es Veränderungen gibt. Aber wenn der Glaube in der Seele liegt, dann weiß man: Das Wesentliche, das bleibt. Da kann man dann auch den Jugendlichen freudig begrüßen, dessen Äußeres nicht so der eigenen Vorstellung davon entspricht, wie es zu sein hat. Wer von Herzen glaubt, bleibt nicht bei Äußerlichkeiten stehen, auch wenn sie einen gelegentlich in Missstimmung versetzen könnten.
Mit dem Mund bekennen, damit der Glaube sichtbar wird: Redet über eure Glaubenserfahrungen. Habt Geduld mit den Jungen. Es sind nun mal heute andere Verhältnisse als früher. Es ist sicher interessant, von alten Zeiten mal zu hören. Aber Grundlage damals wie heute ist immer der Glaube. Das Heute gilt es zu nutzen. Heute will Gott sein Werk vollenden. Das Feuer und die Begeisterung wollen wir in die nächste Generation weitertragen. Das Feuer weitergeben und nicht die Asche. Nicht darüber reden, was alles besser sein könnte. Vielmehr loben, wie groß Gottes Gnade heute ist. Nicht wehmütig klagen, wie das bloß alles weitergehen soll. Sondern heute unsere Freude weitertragen.
Wie will Gott uns denn retten? Wer mich bekennt, den will ich vor meinem Vater bekennen, sagte der Gottessohn. (vgl. Mt 10, 32.) Jesus bitten, schenk mir neue Kraft, damit wir miteinander unser Ziel erreichen können. Gott will uns retten. Er will keinen Unfrieden, sondern vielmehr Frieden schenken. Ja, wer vielleicht abends allein ist und den dann Sorge und Traurigkeit überkommen, dem gilt wie uns allen: "Lasst uns nutzen, was Gott geben will. Lasst uns das mit dem Mund bekennen!", appellierte der Bischof.
Bezirksältester Hartmut Knecht, Nagold, sprach aus, was mancher denken mag: Ich fühle mich doch gar nicht alt. Deshalb tue ich mich schwer damit, zum Kreis der Senioren zu gehören. Und so bezeichnet werden mag ich auch nicht. Dabei ist es doch gar nicht so schlimm. Vielmehr eine schöne Aufgabe, als erfahrenes Gotteskind weiterzutragen, was man im Lauf seines Lebens gelernt, begriffen und geglaubt hat. Knecht kam noch mal auf das Bild von Asche und Feuer zurück. Feuer - da brennt noch etwas. Das ist wichtig für uns selbst und um andere anzuzünden. Um im Bild zu bleiben: Bei manchem Jugendlichen ist "Brennmaterial", Substanz da. Aber es fehlt noch der "zündende Funke", damit das Feuer des Glaubens brennt. Früher war alles besser zu sagen, ist da kontraproduktiv. Wir wollen durch unseren eigenen Glauben, der trägt, unabhängig von Erfolg, Gesundheit, äußeren Umständen, andere mit entzünden. Und unsere Erfahrungen einbringen, die die Jüngeren noch nicht haben können. "Jung und Alt, wir alle wollen gerettet werden. In dem Sinn, am Tag der Wiederkunft des Herrn dabei zu sein."
Bezirksevangelist Werner Lampprecht, Tübingen, wies darauf hin, dass nur der bekennen kann, der auch etwas in sich hat. Da will man mit jemandem ins Gespräch kommen. Wenig Reaktion. Weiß man aber, der andere ist Mitglied eines Gesangsvereins und kommt auf dessen Hobby zu sprechen, dann "sprudelt" er los. Und wie geht es damit im Glauben? Wir haben die Zusage, gerettet zu werden. Schauen wir, dass das Evangelium in uns lebt, dann bekennen wir auch. Und gerecht werden, das geschieht nicht durch gute Werke, sondern einzig und allein durch die Gnade. Darum beten, das können wir alle. Dann haben wir auch die Sicherheit, durch Jesus` Opfer gerecht werden zu können.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls betonte Heiniger dessen besondere Bedeutung: Gemeinsam erleben zu dürfen, wie groß göttliche Gnade wirken kann. Das setzt aber auch eigenes Bemühen voraus, sich zu ändern. Und dem anderen auch mal das eigene Herz zu zeigen. Wie bei einem alten Ehepaar, das der Bischof erwähnte. Jeden Abend vor dem Schlafengehen versicherte der eine, er habe seine Partnerin lieb, auch wenn er mal wieder mürrisch gewesen sei oder sonst nicht so, wie es eigentlich sein solle. Kommentar: "Aber ändern könntest du dich gelegentlich auch mal!" Wenn wir heiliges Abendmahl feiern, spielt das Alter keine Rolle. Entscheidend ist, ob ich von Herzen glaube. Auch mit achtzig Jahren kann man noch in das Wesen Jesu hineinwachsen. Da gibt es kein "Abstellgleis". Wenn wir heiliges Abendmahl feiern, muss sich in unserer Seele etwas tun. Den Anderen können wir nicht verändern.
Nach dem Gottesdienst wünschte der Bischof "Gottes Hilfe auf jedem Schritt". Und gab herzliche Grüße an die große Gemeinde derjenigen mit, die nicht mehr in der Lage sind, zum Gottesdienst zu kommen. Zuversicht, auf Gottes Hilfe fest bauen, die hatte während des Gottesdienstes auch immer wieder der Chor mit seinen Liedern ausgedrückt. Besonders schön und schön vorgetragen, sei hier zum Abschluss eine Strophe wiedergegeben:
"Ist auch die Zukunft meinem Blick verhüllt, vertrau ich still.
Seitdem ich weiß, dass sich dein Plan erfüllt, vertrau ich still.
Seh ich nicht mehr als nur den nächsten Schritt, mir ist`s genug!
Mein Herr geht selber mit."
(Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 178, Vers 3, Text Helga Winkel, geb. 1957)