Dazu eingeladen waren auch die Nachbarn aus Gärtringen.
"Herr, sei mir gnädig, mache mich frei,
bis alles irdische Ringen vorbei
bis ganz mein Wesen dein Abglanz ist
und du, Herr Jesus, dann alles mir bist."
(Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 117, Vers 3,Text und Melodie nach Leila Morris, 1862 - 1929)
Dieses Lied hatte der gemischte Chor, Nufringer und Gärtringer Glaubensgeschwister, zu Beginn des Gottesdienstes gesungen. Die im zitierten Vers erbetene Freiheit, um dem Wesen des Gottessohns ähnlich werden und ihn allein in den Mittelpunkt stellen zu können, war Thema des Gottesdienstes. Sie ist Voraussetzung, um so, wie es damals die Apostel konnten, auftreten zu können. "Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat" ist das vierte Kapitel der Apostelgeschichte überschrieben, dem das Bibelwort für den Gottesdienst entnommen war:
"Sie sahen aber den Freimut des Petrus und Johannes und wunderten sich; denn sie merkten, dass sie ungelehrte und einfache Leute waren, und wussten auch von ihnen, dass sie mit Jesus gewesen waren." (Apg 4, 13)
Zu Beginn ging es dem Bischof um die Nähe zu Gott im Erleben eines Gottesdienstes. Im Alltagsleben mit allen Problemen stellt sich schnell eine Distanz zum himmlischen Vater ein. Aber in der Gemeinde, wenn sich alle Herzen zusammenschließen, da kann das Wunder geschehen, Gott ganz intensiv erleben zu können. "So ein Wunder, das möge Gott in diesem Gottesdienst schaffen.", wünschte sich Heiniger.
Ein solches Wunder hatten die beiden Apostel erlebt, begann er auf das Bibelwort für den Gottesdienst einzugehen. Petrus und Johannes kannten nichts anderes, als täglich in den Tempel zu gehen und dort begeistert ihren Glauben zu bekennen. Auf den Stufen, die hinaufführten zum Tempel, lag Tag für Tag ein gelähmter Mann. Vielleicht, um Almosen zu bekommen. Eines Tages verspürte Petrus beim Hinaufgehen, dass Gott etwas tun wollte. Der Apostel gab dem nach. "Im Namen Jesus, steh auf und geh!" Das Wunder geschah. Zeugen des Geschehens waren fassungslos - wie konnte das sein? In der Folge wurden die Apostel vor dem Hohen Rat zur Verantwortung gezogen. Sie konnten nicht anders, als zu bekennen: Wir haben im Namen Jesus` gehandelt. In ihm ist das Heil. Wir sind nur Werkzeuge. (vgl. Apg 4, 8 ff.)
Das Textwort gibt die Reaktion der Zuhörer wieder. Sie sahen den Freimut der Apostel, die, obgleich gefangen, vor dem Hohen Rat freudig ihren Glauben bekannten, ganz offen und öffentlich. Erfüllt vom Heiligen Geist. Wie anders war es noch gewesen, als Jesus gekreuzigt worden war. Petrus hatte ängstlich seinen Herrn verleugnet. Die Jünger hatten völlig zurückgezogen gelebt, Und nun, nur wenige Wochen später, ein ganz anderes Bild. Die Menschen wussten, dass beide nur einfache Leute waren, die mit Jesus umhergezogen waren. Und jetzt das. Mit welchem Freimut konnten sie ihren Glauben leben.
Welche Bedeutung hat ein Gottesdienst für ein solches Verhalten, was kann er bewirken? Brauchst du Mut, um deinen Glauben zu leben? Deinen Alltag nach ihm auszurichten? Um bei anstehenden Entscheidungen zuerst nach dem Reich Gottes zu trachten? Gott will dir mit seinem Wort immer wieder Erkenntnis, Kraft und Mut schenken.
Gott hat dich und mich gerufen, mit Gaben und Fähigkeiten, die man für ihn einsetzen kann. Wie schnell verliert man Freude und Begeisterung an der Mitarbeit. Man erlebt eine Enttäuschung oder es fehlt einfach die Kraft. Da ist der Gottesdienst ein wesentlicher Punkt. Jeder wird angesprochen, nicht nur die Amtsträger. Mein Ist-Zustand weicht vom Soll-Zustand ab? Dann die Kraftquelle nutzen, die im Gebet miteinander liegt: Hilf du mir doch. Ich erkenne deinen Willen nicht. Zusammen beten wir im Vaterunser: Dein Wille geschehe. Wenn das unser gemeinsamer Wunsch ist, dann wird Gott ihn erfüllen.
Im Gottesdienst wieder innere Sicherheit bekommen. Wir beten um unser tägliches Brot. Im übertragenen Sinn brauchen wir es als Kraftquelle, um mit unseren bescheidenen Gaben mitwirken zu können. Im Gottesdienst wollen wir die klare Sicherheit bekommen, dass wir nachfolgen können. Wie schaffen wir das? Wenn wir uns anstrengen, so zu vergeben, wie Jesus es konnte. Den Nächsten so zu lieben, wie er es tat. Dann folgen wir nach. Das ist nicht einfach. Wie schnell fühlt man sich ungerecht behandelt. Ist verletzt. Miteinander ist es zu schaffen, verzeihen zu können. Gott vergibt ohne Wenn und Aber. Obwohl er weiß, dass menschliches Bestreben oft beim guten Vorsatz endet. Aber wir wissen, dass uns vergeben wird, wenn wir vergeben - eine ganz starke Motivation. Und nicht über die eigenen Fehler hinweggehen mit der Begründung, ich bin halt so, ich kann nicht anders.
Was die Kraft der Liebe nicht schafft, schafft keine andere. Das Irdische, das sich in den Vordergrund drängen will, den Egoismus mit der Kraft, die im heiligen Abendmahl liegt, überwinden. Kraft liegt auch darin, eine bekennende Gemeinde sein zu dürfen. Wir glauben fest an die Wiederkunft Christi. Miteinander wollen wir diese Gewissheit weitertragen.
Hirte Arndt Bayer, Vorsteher der Gemeinde Tübingen, hatte sich mit der Bedeutung des Worts "Freimut" auseinandergesetzt. Im Urtext findet sich eine Formulierung, die eine Stimmung von Loslassen, Freiheit, Mut beschreibt. Eine Form von Hemmungslosigkeit, die aber nicht in dem Sinn zu verstehen ist, wie es heute verstanden werden könnte - Party machen, keine Schranken kennen. Vielmehr geht es hier darum, den Glauben zu bekennen, ohne Angst vor einer Blamage zu haben. Ich gehe ins Risiko und werde dafür dann ausgelacht? Das könnte mich bremsen. Petrus damals konnte sich von solchen Erwägungen befreien. Er ging vor aller Augen auf den Kranken zu: "Steh auf!" Was kann uns hemmen, uns hindern, diese Freiheit zu haben, mit der Folge, dass auch ein Gottesdienst keine Auswirkungen haben kann? Unser innere Einstellung sollte sein: Lieber Gott, ich bin da. Ich vertraue auf dich. Ich versuche, mich zu trauen und ganz auf dich zu setzen. "Sicheren Boden verlassen, das nennt man glauben."
Nach dem Gottesdienst bedankte sich Urs Heiniger besonders beim Chor, dessen Dirigentin und der Organistin für die musikalische Unterstützung. Keine Selbstverständlichkeit, diesen Reichtum zu haben. Das habe vielleicht gerade jetzt mancher Urlauber in Gemeinden in anderen Gegenden erlebt. Es geht zwar auch ohne Musik, aber mit - ist es viel schöner.