Die Glaubensgeschwister aus der Universitätsstadt und aus deren Nachbargemeinden erleben einen besonderen Gottesdienst, gewidmet der Fürbitte für entschlafene Seelen.
"Sei nur stille zu Gott, meine Seele;
denn er ist unsere Hoffnung."
(Männerchorsätze Nr. 38, Text Psalm 62, 6; Vertonung Emil Pack, beabeitet von H. Grudnio)
Dreimal im Jahr finden weltweit Entschlafenengottesdienste in der Neuapostolischen Kirche statt. Am ersten Tag des Monats Juli geschah das zum zweiten Mal in diesem Jahr. Die Mitglieder von vier Gemeinden des Kirchenbezirks kamen dazu in Tübingen zusammen. An einem Sonntag mit einem besonderen Gepräge, wie Apostel Martin Schnaufer zu Beginn hervorhob. Im Bewusstsein, dass Gottes Werk eine Größe hat, die hinausgeht über das, was Menschen kennen. Im Vorfeld dieses Tags haben manche etwas Besonderes erlebt, was sie hat nachdenklich werden lassen. Manche mussten jemanden loslassen, den sie sehr geliebt haben und der in die Ewigkeit gegangen ist. Das schärft besonders das Bewusstsein dafür, dass alle an diesem Sonntag als Beter für andere ihre Aufgabe haben. Erlösung kann nur der finden, der selbst vergeben kann. Für die, die Schreckliches erlebt haben, ein Kraftakt. Das kann so schwer sein, dass wir uns darüber kein Urteil erlauben dürfen. Nur für diese Seelen beten können. Denn Gott will allen helfen, die vergeben können und sich ihm anvertrauen.
"Dazu hat er seinen Sohn zu den Menschen geschickt, dem "alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist." (Mt 28, 18), bezog sich der Apostel auf das eingangs verlesene Textwort für den Gottesdienst. Wie viel ist im Namen Jesu gemordet worden. Da gibt es keinen Automatismus, vergeben zu können. Es ist so vieles geschehen, was als Hindernis im Weg liegt. Wir wissen, dass wir eine gemeinsame Zukunft mit denen haben, die schon in der Ewigkeit sind. Jeder göttliche Altar, nicht der physische ist damit gemeint, ist eine Nahtstelle zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit. In dieser Mitte steht Jesus, der sich jedem zuwenden und jedem Erlösung schenken will.
Er hat die Macht dazu. Er kann aus der Knechtschaft der Sünde befreien. Durch sein Opfer wurde die Trennung von Gott beseitigt, die der Sündenfall bewirkt hat. Mancher ist zwar getauft, hat sich dann aber irgendwie so arrangiert, dass er die Fokussierung auf Jesus verloren hat. Er wird abhängig von sündigem Verhalten. Da gibt es dann Ausreden, bei Adam war Eva schuld, und die verwies auf die Schlange. Man sucht einen Schuldigen für eigenes Fehlverhalten. Sünde wird relativiert. Dabei gilt es, sich selbst zu erkennen. Ich brauche die Gnade. Es geht immer um unser persönliches Verhältnis zu Gott.
Jesus hat "alle Gewalt"- Wie gehen wir um mit seinem Liebeswerben? Wir glauben an sein Opfer und daran, dass er sein Volk zusammenführen will. Dann mühen wir uns, zu werden wie er. Gott will allen Menschen helfen. Wie sehe ich mich? Als das Maß aller Dinge? Alle brauchen Gnade. Und ich will so leben, dass in mir Jesus` Wesen wächst.
Gott hat den Menschen einen freien Willen gegeben. Er zwingt niemanden. Er will alle zu sich ziehen, die bereit sind, sich ziehen lassen. Jesus soll zwar das Haupt sein, wir seine Glieder. Aber zwingend ist es nicht, denn jeder hat seinen eigenen Willen. Wir können aber eins mit ihm werden, wenn wir "ja" zu ihm sagen und uns aus unseren Abhängigkeiten lösen.
Bis zu seiner Wiederkunft hat Jesus an seiner Stelle Apostel gesetzt, damit sie das Evangelium verkündigen, Sakramente spenden und den Glauben an Christus` Wiederkommen aufrecht erhalten. Aber nicht, um Wunder zu tun. Zwar hat sie Jesus hier und da getan. Aber das stand nicht an erster Stelle. Das Wichtigste war: Glaubt an mich. Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Nur denen, die schon vor seiner Auferstehung an ihn geglaubt hatten, denen erschien er auch danach. "Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist`s eine Gotteskraft. ... Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus,..." (1. Kor 18 u. 22). "Punkt", setzte Schnaufer hinzu. Gott will mein Heil, aber nicht mein irdisches Leben optimieren. Er kam auf die Erde, um ewig Gültiges aufzubauen.
"Mir ist gegeben alle Gewalt..." - An uns liegt es, ihm zu folgen und zu werden wie er. Dann werden alle noch unklaren Fragen beantwortet werden oder von keinerlei Interesse mehr sein. Weil es keinen Gedanken an die alte Erde mehr geben wird. Schon heute zeigt uns das unser Leben in einer anderen Dimension mit anderen Schwerpunkten. Lässt fragen, welche Dinge sind es eigentlich wert, dass man sich darüber aufregt. Deshalb wollen wir mit ganzem Herzen für den Herrn leben und für andere Seelen beten, dass sie auch diesen Schritt tun können. Dieser Sonntag soll ein Tag der Gnade und Versöhnung sein. Möge der Tag bald kommen, an dem wir keine Fragen mehr haben werden.
Bezirksältester Klaus von Bank betonte die große Bedeutung des Glaubens, ohne den es keinen Zugang zum Entschlafenenwesen gibt. Ohne Glauben hier und in der geistigen Welt geht nichts. Wir können darum bitten, dass er gestärkt wird. Auch durch Wunder. Aber du musst selbst das geben, wozu du imstande bist. Jesus, dem alle Gewalt, dem Allmacht gegeben ist, nutzt sie, um anderen zu helfen. Man mag sich fragen, warum Gott so Vieles Unschöne zulässt. Im Friedensreich wird nur Jesus regieren, dann wird das Ungute vorbei sein. Das ist unser Ziel. Dem gehen wir gemeinsam mit den Seelen aus dem Jenseits dankbar entgegen.
Der Apostel fuhr fort: Gott hat dazu für alle die gleichen Bedingungen geschaffen. Er wendet sich jedem Einzelnen zu. So wie Jesus es tat, keine Tabubrüche scheuend, wenn er für die da war, die die Gesellschaft verurteilt hatte. "Du hast geglaubt und die Gnade wird alle Lücken zudecken. Wir treten gemeinsam vor den Herrn und beten: Vergib uns unsere Schuld." In der Mitte steht Jesus "Das ist mein Leib und mein Blut, esst und trinkt. Verkündet den Tod des Herrn und seine Auferstehung!"
Nach der Feier des heiligen Abendmahls leitete der Apostel über zum Gebet für entschlafene Seelen. "Glaube ist die Perspektive. Auch angesichts des Elends in dieser Welt voll Egoismus. In der manche Menschen Vieles erleiden müssen, Kinder verhungern. Immer wieder etwas geschieht, was uns ratlos macht. Der großartige Blick in die Welt des Geistes zeigt uns eine andere Perspektive, besonders für die, die auf Erden nur gelitten haben: Jeder kann ewig bei Gott sein. Durch Gebete versuchen wir, Brücken zu schlagen. Durch die Sakramente sollen alle Heil erfahren können. Mit Liebe wollen wir für die Seelen in der jenseitigen Welt beten!"
Das eingangs zitierte Lied eines Gesangsensembles, das vor den Altar getreten war, stimmte darauf ein:
"Sei nur stille zu Gott, meine Seele;
denn er ist unsere Hoffnung."