Eine im Wochengottesdienst (fast) volle Kirche, es singen (fast) nur Jugendliche im Chor, warum???
Zur Erläuterung vorab: Ein Fresh-up-Gottesdienst bedeutet, dass Jugendliche aus dem gesamten Kirchenbezirk Tübingen einen Wochengottesdienst in einer der zwölf Gemeinden besuchen, dort im Gemeindechor mitsingen und so für "frischen Wind" durch junge Stimmen sorgen, denen problemlos höhere Höhen und schnellere Tempi gelingen. Die möglichen Antworten auf die eingangs gestellte Frage - in der Gemeinde Gärtringen ist es eben besonders schön. Geht gar nicht. Der Chronist muss schon den Hauch des Anscheins von Lokalpatriotismus vermeiden. Den Gottesdienst leitete der Bezirksjugendbeauftragte, Carsten Dehner, Gemeindeevangelist in Herrenberg. Daher alle hin zum Gottesdienst? Hat sicher nicht jeder, der kam, im Vorfeld gewusst. Erwartet wurde Diakon Simon Züfle, Botschafter im Apostelbereich Freiburg/Tübingen für den Internationalen Jugendtag 2019 in Düsseldorf. Er wollte im Anschluss an den Gottesdienst informieren über das Event und für eine aktive Teilnahme der Jugendlichen aus unserem Kirchenbezirk werben. Dazu war er aus dem Bezirk Freburg/Offenburg an diesem Abend extra in den Bezirk Tübingen angereist. War sein Kommen der Grund? Lassen wir die Antwort offen und beenden wir die Ursachenforschung. Freuen wir uns einfach bei der Erinnerung an einen besonderen Gottesdienst (fast) mitten in der Woche mit ansteckend fröhlichem, zuversichtlichem und hoffnungsfrohen Gesang in einer vollen Kirche.
"Diese (Hoffnung, s. Hebr.6, 18) haben wir als einen sicheren und festen Anker unsrer Seele, der auch hineinreicht bis in das Innere hinter dem Vorhang. Dahinein ist der Vorläufer für uns gegangen. Jesus, der ein Hoherpriester geworden ist in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks (Hebr 6, 19, 20)." Drei Sätze aus dem Neuen Testament, die sich beim ersten Zuhören nicht auf Anhieb erschließen, vermutete Dehner sicher nicht zu Unrecht, als er auf das Textwort für den Gottesdienst einzugehen begann. Aber, machte er Mut, bei näherem Hinschauen eigentlich ganz einfach: Es geht um Hoffnung. Hoffnung als Anker für die Seele. Zur Erläuterung des biblischen Hintergrunds: Adressaten des Briefs sind Hebräer. Die Bilder im Text, die der Verfasser gebraucht, waren ihnen geläufig. Im Tempel in Jerusalem verbarg sich das Allerheiligste hinter einem Vorhang. Dort war Gott gegenwärtig und nur einmal im Jahr, am Versöhnungstag, ging man durch den Vorhang durch ins Allerheiligste. Dieser Vorhang zerriss beim Tod Jesus`. Er war das Heil und direkt zu den Menschen gekommen. Da brauchte es keinen "Vorhang" mehr.
Und "nach der Ordnung Melchisedeks" erklärt sich so: Letzterer war König und Priester zur Zeit Abrahams. Der brachte ihm seine Opfergaben und wurde von ihm gesegnet. Ein solcher "Hoherpriester" ist Jesus. Auf ihn können wir unsere Hoffnung setzen. Die auf seine Wiederkunft mit einer noch engeren Gemeinschaft mit ihm, als sie jetzt der Fall sein kann. Wir haben allen Grund, an dieser Hoffnung festzuhalten, denn Jesus ist wahrhaftig und treu.
"Ein sicherer und fester Anker unsrer Seele" - Ein Anker verbindet auf See das Schiff mit dem Meeresbogen. Er gibt Sicherheit im Sturm. Solche "Stürme" sind Angriffe, Feindschaften. Dann hält uns die Hoffnung bei Jesus. Und die Zuversicht, es wird nicht immer so sein. Wir bleiben trotzdem beim Herrn. Anders, als manch Fußballfan, hieß es aus gerade aktuellem Anlass. Der jubelt heute, wir sind Sieger und distanziert sich morgen bei einer Niederlage. Denn verloren hat nur die Mannschaft, wir und damit er, nicht.
Und am Liegeplatz, ein Bild dafür, dass es uns gut geht und die See scheinbar ruhig ist, da verhindert der Anker, dass das Schiff abtreibt, wir uns vom Herrn entfernen. Meinen, ihn gar nicht zu brauchen. Wie der Googe, der beim Überqueren eines Bachs, über dem ein Baumstamm als "Brücke" liegt, erst um Gottes Hilfe bittet, zumal er auch schon das ein oder andere Viertele intus hat. Nachdem er die andere Seite fast erreicht hat, verkündet er, das hätte er auch allein gekonnt und liegt - schwups - im Wasser. Dass Gott immer alles gleich ernst nimmt, schimpft er. So könnten wir auch meinen, alles allein zu können und Gott gar nicht mehr zu brauchen. "Solchen Übermut verhindert ein starker Anker. Wir sagen, dass wir Gott jederzeit brauchen. An dieser Hoffnung lasst uns festhalten!"
Gemeindevorsteher Löhmann bedankte sich zuerst bei allen, die gekommen waren, Jugendliche, Jugendleiter und erwachsenen Begleiter, die Fahrdienste geleistet hatten. Er verwies auf die göttliche Liebe, die unbegründet ist. Und bedingungslos. Liebe zwischen zwei Menschen, sie entsteht und man kann eine rationale Begründung suchen - gutes Aussehen, ein nettes Wesen vielleicht. Und eine lebenslange Beziehung kann auch einen Grund haben: Man lernt, den Wert von Treue, Hilfsbereitschaft und Verlässlichkeit zu schätzen. Bei Gott ist die Liebe bedingungslos. Er lässt uns nicht fallen, wenn wir mal untreu werden, zweifeln, die Hoffnung verlieren. Aber eines können wir als "Gegenleistung" tun - die göttliche Liebe an andere weitergeben. Und wenn wir die Hoffnung mal verloren haben, dann dürfen wir sie uns im Gottesdienst stärken lassen, um beständig sein und unser Ziel erreichen zu können.
"Gott liebt bedingungslos", griff Dehner den Gedanken bei der Überleitung zur Feier des heiligen Abendmahls noch einmal auf. Er hat sein Opfer für alle gebracht. Auch für die, die ihn ans Kreuz haben schlagen lassen. Bei der Feier des heiligen Abendmahls können wir Jesus` grenzenlose Liebe erfahren. "Wir wollen Reue und Buße auf uns nehmen im Bewusstsein, dass wir Gnade brauchen. Mit dieser Einstellung lasst uns das heilige Abendmahl feiern."
Nach dem Schlussvortrag des Chors, dynamisch gesungen von Piano bis Fortissimo, von schnell bis getragen ("Der Herr ist mein Licht und ist mein Heil...,", Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 162, Text nach Psalm 27, 1 - 4), kam Simon Züfle nach vorn und nahm seinen Auftrag als Botschafter gern wahr: Rund elf Monate vor dem Jugendtag Vorfreude zu vermitteln, auf Informationsmöglichkeiten in den Medien hinzuweisen und Anregungen für eigene Beiträge der Jugendlichen zu geben. Carsten Dehner konnte glaubhaft versichern, dass sich die Tübinger bereits Gedanken gemacht haben und ihnen sicher etwas einfallen wird. Das dann auch in Düsseldorf mit eingebracht wird. Ein Abschlussfoto von (fast) allen mit Simon und seinem Jugendtagsbanner in der Mitte gab es noch und als letzte Botschaft von ihm: Das Kirchentagsmotto "Hier bin Ich" unbedingt ergänzen: "... und bringe mich ein!"
Anschließend versuchten sich die Gärtringer als gute Gastgeber mit Getränken und Snacks. Der Lautstärke und Fülle im Foyer der Kirche nach zu urteilen, wurde das Angebot bei angeregter Unterhaltung miteinander gern angenommen.