Führung mit einer königlichen Hofdame durch die Gemächer im Schloss Ludwigsburg
Dazu berichtet Gerlinde Kleemann, die auch die Unternehmungen des Kulturkreises organisiert:
Unser 20. Kulturtag brachte uns nach neun Jahren wieder ins Ludwigsburger Schloss. Unsere Führerin war die königliche Hofdame Emilia von Säckendorf. Zeitlich geht es an den Anfang des 19. Jahrhunderts, ins Jahr 1817. Die junge Adelige stellte sich unserer Gruppe vor und erzählte, sichtlich stolz, dass sie ihre Ahnen bis ins 13. Jahrhundert zurück verfolgen kann. Die von Säckendorfs stammten aus dem Fränkischen und lebten auf dem Land, wo die junge Dame aufgewachsen war. Als einziges Mädchen unter fünf Brüdern genoss sie wie die Unterricht durch einen Hauslehrer und erhielt damit eine umfassende Bildung entsprechend der damaligen Zeit. Für die Mädchen gehörten auch Musizieren, Gesang, Tanz, Malerei, Konversation und natürlich Handarbeiten, wie z. B. Sticken, und das Führen eines großen Haushalts dazu. Ein ganz wichtiger Punkt war für den adeligen Nachwuchs das Erlernen der Etikette, insbesondere geduldig zu sein und schweigen zu können, ohne dabei gelangweilt auszusehen, selbst bei den für junge Mädchen uninteressantesten Themen. Auf Empfehlung ihres Onkels war die junge Dame mit 16 Jahren an den königlichen Hof gekommen und befand sich jetzt im 19. Lebensjahr.
Zunächst erhielten wir einen kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Schlosses.
1704: Grundsteinlegung durch Herzog Eberhard Ludwig als Jagdschloss
1709: Gründung der Stadt Ludwigsburg, bedingt durch die Ansprüche der herzoglichen Herrschaft. Später fand eine Verlegung des Hofs von Stuttgart nach Ludwigsburg statt.
1733: Beendigung des Schlossbaus. Der Nachfolger des Herzogs, König Friedrich, hat mit dem gesamten Hofstaat in Ludwigsburg gewohnt, allerdings nur im Sommer. Die großen Räume waren schlecht zu heizen.
Bevor wir die königlichen Gemächer besichtigten, wurden wir noch in das elegante Beschreiten des roten Läufers auf der Treppe eingewiesen. Zuerst kam der Gardesaal, mittlerweile ohne Garde, da um diese Zeit (1817) nur noch die Königinwitwe im Schloss wohnte. Der Saal hat eine tolle Akustik. Wenn man in die Hände klatscht, hört es sich an, als würde ein Vogelschwarm durch den Raum flattern. Dieser Raum wurde auch für große Bankette und Tanzveranstaltungen genutzt. Die Musiker spielten unter der Decke hinter Säulen. Die Auswahl der Speisen war sehr reichhaltig. Nicht nur, was Fleisch, Geflügel und Wild angeht, sondern auch, was den Fisch betrifft. Es wurden sogar Austern gereicht, die aber unserer Hofdame nicht schmeckten. Dennoch musste sie auch davon essen, wenn sie sich keine Blöße geben wollte. Ein Nachteil allerdings: Die Speisen waren fast immer nicht mehr warm, denn die Küche war ein paar Gebäude vom Schloss entfernt.
Der nächste Raum war das Appartement von König Friedrich I. von Württemberg. Er wird von einem großen Jagdgemälde beherrscht, das die Jagd auf Großwild in Bebenhausen zeigt. Die brachte in der Regel so viel Wild geschossen, dass Überfluss herrschte. Immerhin wurde ein Teil an die Bevölkerung gegeben, denn bei der Jagd wurde auf bestellte Felder und Äcker keine Rücksicht genommen.
Im Audienzzimmer König Friedrichs war mittig an der Wand ein Thron, zu dem ein paar Stufen führten. Es gab für die Audienz Kleider- und Benimmvorschriften, wie man sich dem König nähern durfte, wenn man aufgerufen wurde. Die Frauen mussten auf jeden Fall ein langes Kleid tragen und in den Hofknicks versinken, die Männer ihren Hut in der linken Hand leicht nach hinten halten, dabei die rechte Hand vor die Brust. Dazu erfolgte die Verbeugung durch einen Kratzfuß. Erheben aus der Verbeugung/ dem Hofknicks durfte man sich erst nach der Ankündigung durch den Haushofmeister. Dieser Vorgang wiederholte sich dreimal, bis man vor den Stufen zum Thron stand. Dem König durfte nie der Rücken zugekehrt werden. Man entfernte sich, indem man, sich verbeugend, rückwärts schritt.
Im Debattierzimmer finden wir ein Bild König Friedrichs, I., der ca. 200 kg wog und 2,11 m groß war. Als Napoleon ihn besuchte, soll der gesagt haben „…. er wusste nicht, dass die menschliche Haut so dehnbar sei….“. König Friedrich soll erwidert haben „…. er wusste nicht, dass in einem so kleinen Mann so viel Gift stecke...“. Napoleon forderte von König Friedrich 16 000 Soldaten für seine Kriegszwecke, von denen nur 800 heimkehrten. Im Gegenzug wollte Friedrich von Napoleon die Königswürde. 1806 war es schließlich so weit. Zehn Jahre konnte er sich an dem Titel freuen. Im Oktober 1816 verstarb König Friedrich.
Bei der Schlossbegehung folgten das königliche Schlafzimmer (befindet sich gerade in der Renovierung), mit einem offenen Kamin. Der Baldachin über dem königlichen Bett sollte Friedrich an ein Zelt erinnern. Danach das Registraturzimmer mit einem Kanonenofen. Viel besser zum Heizen als der Kamin. Dann folgte das Toilettezimmer mit einem Alkoven.
Nun durften wir auch noch den Aufenthaltsraum des Kammerdieners besichtigen. In den Schränken war die Weißwäsche des Königs untergebracht, im Raum danach hingen in hohen Schränken die großen Roben. An der Decke gab es eine kleine Glocke, um den Kammerdiener zu „rufen“. Der Erste Kammerdiener erhielt ein Gehalt von 1 200 Gulden im Jahr, die Kammerzofe bekam 1 000 Gulden/Jahr. Die Decken in den Räumen der Dienerschaft waren nur halb so hoch wie in den herrschaftlichen Räumen. Auf diese Weise konnten mit den Zwischendecken Räume für das Personal geschaffen werden. Das Schloss verfügt insgesamt über 420 Räume, davon sind ca. 80 für die Herrschaft.
Unsere junge, reizende Hofdame gab bei der Verabschiedung ihrer Hoffnung Ausdruck baldmöglichst an den Hof in Stuttgart zu kommen, denn dort möchte sie einen passenden Gatten finden. Schließlich war das Sinn und Zweck ihrer Stellung hier am königlichen Hof. Und noch etwas: Allerdings würde sie es begrüßen, uns „Bürgerliche“ in etwas passenderer Kleidung, vor allem die Damen, sehr bald wieder begrüßen zu können.