Die Glaubensgeschwister aus Gäufelden-Öschelbronn tragen bei zu einer großen Gemeinde und einen ebensolchen gemischten Chor.
" Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen,
weil unsere Augen sie nicht sehn."
(Vers 3, Nr. 319 Chorbuch für den neuap. Gottesdienst, "Der Mond ist aufgegangen", Text Matthias Claudius, 1740 - 1815)
Urs Heiniger dankte zu Beginn des Gottesdienstes dem gemischten Chor für dessen gerade verklungenen Vortrag, der es im Kirchenraum ganz still hatte werden lassen: "Anbetung will ich, Herr, dir bringen ..." (Chorbuch Nr. 133, Text Gerhard Schumpp, geb. 1946). "Dass wir wieder ruhig sehen können, was Gott Großartiges getan hat.", begann der Bischof. Das ist oft überlagert von Gedanken wie "Warum muss ein treuer Christ so krank werden? Warum greift Gott nicht ein?" Das Lied nimmt einen Perspektivwechsel vor, indem es anregt, Gott zu ehren, zu preisen, ihm für seine Gnade und Bewahrung bis heute zu danken. Denken wir an Jesus, der immer wieder eine andere als die gängige Sichtweise forderte. Ja, eigentlich hat die Sünderin den Tod verdient - aber, wer von uns allen ist ohne Sünde? Es tut gut, sich vom Wirken des Heiligen Geistes abholen zu lassen, um wieder erkennen zu können, was für einen Reichtum wir haben und was Gott Großartiges geschaffen hat.
Danach ging der Bischof auf das eingangs verlesene Bibelwort ein: "Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?" (Mk 14, 3 u. 4) Von den anderen Anwesenden damals wurde das als schiere Verschwendung empfunden. Kein Verständnis dafür. Warum lässt Jesus, den sie als den Demütigsten erlebt hatten, das zu? Wie sieht es aus mit unserem Verständnis? Wie verhalten wir uns, wie kommen wir in einen Gottesdienst, mit welcher eigenen Vorstellung? Oder kommen wir wie die Frau damals, die ohne Erwartung einer Gegenleistung, ohne Wenn und Aber, ohne Berechnung, einfach nur kam und tat, was sie sich vorgenommen hatte.
Sicher, jeder hat seine Sorgen. Wir erwarten etwas, damit sie schwinden. Wir haben jetzt gerade mal Zeit dafür, nachdem wir uns aufgemacht haben zum Gottesdienst. Nun wollen wir aber auch etwas Besonderes erleben. Nehmen wir uns ein Beispiel an der Frau damals. Sie wollte einfach nur dem Gottessohn einen Liebesdienst erweisen. Dazu brachte sie die größte Kostbarkeit, die sie hatte. Die unsere ist unser Herz und dessen Gaben. Eine davon ist Dankbarkeit. Nicht die äußerliche, augenblickliche. Vielmehr ein Wesenszug, den Gott geschenkt hat. Mal wieder kein so guter Tag heute, denken wir oft. Und vermögen so den Reichtum, der trotzdem darin liegt, nicht zu erkennen.
Dankbar sind wir, Kinder und Enkelkinder zu haben. Und dann entspricht ihr Verhalten nicht unseren Vorstellungen. Trotzdem dankbar sein? Ja. Die Perspektive wechseln und nicht die eigene Sicht als das Maß aller Dinge nehmen. Sind wir dankbar, eine Gemeinde zu haben? Gottesdienste erleben zu dürfen, obwohl wir unsere eigenen Probleme haben?
Dankbarkeit zeigt sich in der Tat. Wir haben mit dem Konfirmationsgelübde Gott ein Versprechen gegeben. Halten wir es auch? Sind wir immer wieder bereit, unser Gelübde zu leben, es immer wieder zu erneuern? Erkennen wir den Wert der Taufe, des Heiligen Geistes? Sind wir bereit, Gott in Ehrfurcht zu begegnen und ihm die Ehre zu geben oder überschätzen wir unser eigenes Können, sehen nicht seine Hilfe und geben nicht ihm die Ehre, die ihm gebührt. Stellen nicht Jesus in den Mittelpunkt. Zwar sind alle Menschen unterschiedlich. Aber trotzdem bilden sie eine einzige Gemeinde, wenn sie sich einig sind, Gott allein die Ehre zu geben.
Meine Sicht ist auch maßgebend? Schließlich habe ich so viel Lebens- und Glaubenserfahrung. Trotzdem - die Ehre gilt Gott. Der mir auch die Gabe der Liebe gegeben hat. Die zu ihm wie die zum Nächsten. Die grenzt den anderen nicht aus. Lässt uns mit ihm reden und nicht über ihn. Lässt ihn nicht vereinsamt am Rand stehen.
Damals - eine Vergeudung des kostbaren Öls? Das muss man doch besser nutzen. Und dich selbst darfst du dabei auch nicht vergessen? Es ist eine Herausforderung, den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Man muss auch lernen, was wann wichtig ist. Jesus bei einem anderen Besuch in Betanien, dort das unterschiedliche Verhalten von Maria und Martha. Erstere dachte in diesem Augenblick, als der Herr da war, nur an ihre Seele. Nicht an das, was vielleicht vernünftig wäre, es zu tun. Aus ihrer Liebe heraus. Der Verstand ist nicht das Maß aller Dinge.
Wer Liebe bekommt, den drängt es, sie weiterzugeben. Opfer zu bringen, aus Liebe und Dankbarkeit. Gelegentlich kann das schmerzen, sich Zeit zu nehmen. Für einen Krankenbesuch, eine Gesangstunde Oder es kann auch wehtun, den Zehnten zu opfern. Kann es nicht auch etwas weniger sein, wenn Ebbe in der Kasse droht? Die Frau damals dachte nicht an den Geldwert des Öls. Nur daran, was sie damit unbedingt tun wollte. Und wir heute? Arbeiten wir freudig mit und denken wir nicht ständig an unsere persönlichen Belange. "Wir wollen Gott opfern. Unsere Gaben einsetzen, damit er sein Werk vollendet."
Alexander Schade, Gemeindevorsteher in Mötzingen, hatte sie gut getan, diese andere Sicht auf die Dinge, der Perspektivwechsel. Keine Erwartungshaltung pflegen, wenn es, oft auch nur scheinbar, keine sichtbare "Belohnung" für unser Tun gibt. Aus Liebe, ohne jede Berechnung, handeln. Jesus sieht auf das ewige Leben. Wenn das Ziel unseres Glaubens uns wichtig ist, dann verstehen wir, dass im natürlichen Leben nicht alles nach unseren Vorstellungen laufen kann. "Aber wir können darauf vertrauen, dass Jesus uns liebt."
Das vertiefte der Bischof: Lohnt sich Glaube? Lohnt sich der Wochengottesdienst? So viele sind verhindert, daran teilzunehmen, die paar, die da noch kommen? In der Zeit der ersten Liebe zwischen zwei Menschen ist kein Weg zu weit, keine Stunde zu viel, die es braucht, um den anderen sehen zu können. "Lohnt es sich nicht, 1000-mal zu Gott zu kommen, um heiliges Abendmahl zu feiern? Jesus schenkt sich mir auch heute Abend. Er fragt nicht, ob es sich lohnt, uns die Sünden immer wieder zu vergeben. Lasst uns im Vaterunser zeigen: Ja, Dein Wille soll geschehen. Es lohnt sich, sich daran auszurichten. Ich will meinem Nächsten vergeben. Unsere Grundstimmung, unsere Klarheit und Sicherheit soll sein: Gott will uns die Herrlichkeit geben."
Das Eingangszitat ist dem Schlussvortrag des Chors entnommen, von vielen als das schönste Abendlied deutscher Sprache empfunden. Nur aus der menschlichen Perspektive gesehen, die eben nicht alles ist, ist der Mond gelegentlich nicht "rund und schön". Mit diesem Lied in Kopf und Herz konnte sich jeder getrost auf die Heimfahrt in der Dunkelheit begeben, auch wenn die Reise mindestens bei einem etwas länger gedauert haben dürfte.