Das ist, darauf wies Gemeindevorsteher Werner Löhmann im Anschluss an die beiden letzten vorhergehenden Gottesdienste hin, ein besonderer Festtag für die Gemeinde.
"Auf dich, o Herr, vertrauet meine Seele!
Dein Erbarmen ist unermesslich, deine Gnad` und Güte!
Auf dich, o Herr, vertrauet meine Seele in Ewigkeit!"
(Text W. Bion, Chorliedersammlung II der Neuapostolischen Kirche Nr. 5)
Unter anderem dieses Lied sang der gemischte Chor der Gemeinde Gärtringen unter der Leitung von Bärbel Hagellocher an einem strahlenden Festtagssonntagsmorgen mit - klirrender Kälte. Letztere tat der Festtagsstimmung keinen Abbruch. Weshalb ein Festtag? Keine Taufe, kein Hochzeitsjubiläum und trotzdem ein Festtag? Ja, machte Löhmann seiner Gemeinde klar: Es gibt 12 Gemeinden im Bezirk Tübingen. Zwar im Jahr auch, rund gerechnet, 50 Sonntage. Aber nur ganz wenige, an denen es nicht in einer Gemeinde oder im Bereich Anlässe gibt, die die Anwesenheit des Bezirksvorstehers erfordern. Ein "einfach mal so"-Gottesdienst mit ihm ist eine Rarität und daher ein Festtag in einer Gemeinde. Das erfordert dann aber auch an dieser Stelle einen Bericht darüber:
"Schon ein Erlebnis, am Sonntagmorgen in aller Ruhe so eine halbe Stunde durch eine Winterlandschaft (am Schönbuchrand) zu einem Gottesdienst fahren und dabei auch seine Glaubensgeschwister sehen zu dürfen.", begann von Bank. Eine Fahrt "ins Geschäft", wie der Schwabe zu sagen pflegt, wenn er seinen Arbeitsplatz meint, bei der geht es nur um irdische, letztlich vergängliche Dinge, so sehr sie auch den Tagesablauf bestimmen mögen. Dagegen - was ist ein Gottesdienst? Keine Selbstverständlichkeit, daran teilnehmen zu können. Inzwischen ist die Gemeinde "im Hintergrund", die sich aus den Alten und Kranken zusammensetzt, die die Gottesdienste nur noch von zu Haus aus per Telefon erleben können, keineswegs mehr eine kleine.
Dieser Gottesdienst diente der Vorbereitung auf den kommenden am nächsten Sonntag, auf den ersten Gottesdienst für Entschlafene im Jahr 2018. Diese Seelen machen durch die vergangenen Jahrtausende hindurch gerechnet ein Mehrfaches der heute lebenden aus. Jede Seele ist von unendlichem Wert allein durch die Tatsache ihrer Existenz. Und diejenigen, die bereits die Erde verlassen haben? Und mit Christus` Erlösungswerk zu Lebzeiten keine Berührung haben konnten oder wollten, auch für sie gilt die christliche Heilsbotschaft, die mit den Sakramenten verbunden ist. Gottes Heilswille ist universal. Die Apostel erfüllen den Auftrag Jesu, das Evangelium zu verkünden, die Sünden zu vergeben und die Sakramente zu spenden, an Lebenden und an Toten. Besonders in den Entschlafenengottesdiensten, die es dreimal im Jahr in der Neuapostolischen Kirche gibt, treten die Lebenden in Fürbitte für die Seelen in der Ewigkeit ein. Um das ernsthaft tun zu können, bedarf es des Glaubens daran, dass diese Wirkungsmöglichkeit der Apostel für Lebende und Tote gegeben ist. Beweise finden sich dafür in der Bibel wenige. Andererseits - selbst höchste kirchliche Gelehrte aller Konfessionen müssen sie in manchen Dingen schuldig bleiben. Manches - so auch sie - muss einfach geglaubt werden. Zum Glauben gehört Vertrauen. Deshalb der eingangs zitierte Text des Lieddichters.
"Gott, man lobt dich in der Stille zu Zion, und dir hält man Gelübde. Du erhörst Gebet; darum kommt alles Fleisch zu dir. Unsre Missetat drückt uns hart; du wollest unsere Sünde vergeben. Wohl dem, den du erwählst und zu dir lässest; dass er in deinen Vorhöfen wohne; der hat reichen Trost von deinem Hause, deinem heiligen Tempel." (Ps 65, 2 - 5). So lautete das eingangs verlesene Textwort. Dazu der Bezirksälteste: Der Tempel damals hatte für die Juden höchsten Wert. Nach dem Zug durch die Wüste gab es endlich eine feste heilige Stätte. Darin die Stiftshütte, die selbst hohe Priester nur einmal im Jahr betreten durften, während es dem Volk nur erlaubt war, bis in die Vorhöfe zu gelangen. Wobei auch das nicht jedem gestattet war, sondern nur rechtgläubigen Juden. Arge Einschränkungen damals, furchtbar, wenn es heute noch so wäre.
Denn durch Jesus wurde Gott groß und gewaltig auf der Erde sichtbar. Durch seinen Sohn konnte man ihn sehen und hören. Das zu akzeptieren, war eine große Herausforderung. Jesus wollte, dass alle Mühseligen und Beladenen zu ihm kommen. In keinem anderen als ihm war und ist das Heil zu finden, lehrten die Apostel damals. Vorschriften, Gesetze, alles unwichtig. Was für ein Erscheinen der Gottheit auf der Erde. Und Jesus nahm die Sünde der Welt auf sich, damit jeder zur Gnade gelangen kann. Ohne Ansehen der Person. Das gilt auch heute. Christen, auch neuapostolische, leben weltweit in den unterschiedlichsten Verhältnissen. Aber vor Gott gibt es keinen Unterschied.
Die Menschen, die ins Jenseits gehen, werden dadurch keine anderen als die, die sie vorher waren. Allenfalls ändert sich durch den Tod ihr Erkenntnisstand. Aber allen soll geholfen werden, so ist die christliche Botschaft. Sich helfen zu lassen, dem kann eigenes Erlebtes im Weg stehen. Nichts trifft Menschen mehr als Ungerechtigkeiten. Man möchte anklagen und tut es auch. Aber Gewalt mit Gewalt beantworten kann einen nicht weiterbringen. Sich überwinden, Liebe entgegen setzen, das schafft Bleibendes. Heute gibt es keinen Tempel mehr, der Schranken setzt. "Wir wollen für alle Menschen beten, dass sie in Jesus Heil finden und ihre Seelen Frieden in ihm."
Gemeindevorsteher Werner Löhmann verwies darauf, dass Gott erwarten darf, dass wir erkennen, was er für uns tut. Und uns in dieser Einstellung mit den Seelen in der Ewigkeit verbinden. Hier, im Gottesdienst, begegnet uns Gott. Das soll uns bewusst sein. Gesundheit, Reichtum, Freizeit für eigene Belange, das sind so erstrebenswerte Ziele im Natürlichen. Nichts wert im Verhältnis dazu, dass auch nur eine einzige Seele Erlösung findet. "Dafür lasst uns im Gebet eintreten!"
Ein Priester aus der Gemeinde betonte in seinem Beitrag zum Gottesdienst, wie wichtig es ist, dazu erst einmal für sich selbst innere Ruhe zu finden. Äußere Umtriebigkeit wie dies und jenes schnell noch mal erledigen, alles gut und schön. Aber dann nicht mehr, wenn sie vom Wesentlichen ablenkt. Im eigenen Herzen sein höchstpersönliches "Allerheiligstes" schaffen, einen Platz, an dem Gott einziehen kann und nichts anderes, das diese Verbindung stören könnte, so der Rat.
Und Gott ist da, diese Gewissheit erklang lautstark mit dem vom Chor mit Orgelbegleitung - Renate Nonnenmacher - gesungenen Schlusslied:
"Nichts ist, wie es war, und nichts bleibt, wie es ist,
wenn ein Mensch zu Jesus umkehrt und sein Leben lebt für Christ.
Dann erstrahlt die Welt in einem neuen Licht,
dann steht ihm der Himmel offen, weil Gott selber ihm verspricht:
Ich bin da, bin dir unbegreiflich nah!
Meine Güte gibt dir Leben, meine Gnade will vergeben.
Ich bin da! Ich, der immer bin und war,
bleib in Ewigkeit derselbe, ich bin da!"
(Vers 3, Lied Nr. 344 "Singt ein Lied von Gott", Text und Musik Peter Strauch, geb. 1943)