Der Meister von Meßkirch - Katholische Pracht in der Reformationszeit
Reformation vor fünfhundert Jahren, in diesem Jubiläumsjahr 2017 sogar mit einem arbeitsfreien Tag am 31. Oktober verbunden. Was neben vielem anderen zeigt, wie sehr die Lutherschen Thesen das Leben in Europa und nicht nur dort bis heute geprägt haben. In Süddeutschland gab es Anfang des 16. Jh. eine kurze Zeit der Gegenreformation. Die sich auch in der zeitgenössischen Kunst auswirkte. Gerlinde Kleemann, Organisation der Kulturtage, hatte damit das Ziel für den zweiten Kulturtag 2017 gefunden: Ein Ausflug in die Landeshauptstadt mit einer Führung durch die Staatsgalerie, in der die Große Landesausstellung Baden-Württemberg, Schirmherr Ministerpräsident Winfried Kretschmann, mit Werken eines namentlich nicht bekannten Künstlers aus der Zeit der Gegenreformation gezeigt wird.
Rund 15 Teilnehmer (mehr waren pro Führung nicht gestattet) fanden sich an einem äußerlich ungemütlichen Tag - Temperaturen eben über null Grad und der Himmel ziemlich grau - gegen 9.00 Uhr am Bahnhof Herrenberg ein. Von da ging es in die Landeshauptstadt in die Staatsgalerie. Und pünktlich um 11 Uhr mit der Führung durch die Ausstellung los. Wobei die sich in der Alten Staatsgalerie befindet, fast 175 Jahre alt, aber im Zweiten Weltkrieg so stark zerstört, dass aus Kostengründen nur ein Saal im alten Stil wiedererrichtet ist. Zeitlich ging es, wie schon erwähnt, in die Gegenreformationsepoche. Die alt gläubige, katholische Struktur blieb zu der Zeit in Württemberg erhalten, aber nur in der Region Oberschwaben bis zum Bodensee.
Zunächst wurde Grundsätzliches, den Künstler betreffend, erläutert: Sein Name ist unbekannt. Seine Werke sind Auftragskunst regionaler Herrscher von Oberschwaben bis nach Sigmaringen. Die Materialien für die Malerei waren kostspielig: Echter Lapislazuli wurde benötigt für die Farbe Blau, Purpur für Rot usw. Man muss wissen, dass die Maler der Zunft der Apotheker zugerechnet wurden, aus gutem Grund.
Gemalt wurde in Temperatechnik, das heißt, Öl und andere Bestandteile wurden miteinander vermischt. Entsprechend den damals üblichen Gepflogenheiten dürfte auch der Maler von Meßkirch im Alter von 17/18 Jahren in eine Lehre gegangen sein, bevor er seinen eigenen Betrieb gründete. Der, soweit man das nach der Anzahl seiner Werke rückschließen kann, und entsprechend der Zahl seiner verschiedenen Auftraggeber viele Mitarbeiter gehabt haben dürfte. Er war gut im Geschäft. Seine Werke sind eine Mischung aus Lokalem und Phantasie. Ersteres war natürlich auch den adeligen Auftraggebern geschuldet, die sich selbst in ihrem Rang angemessener Form auf den Bildern verewigt sehen wollten. So mischen sich biblische Figuren mit zeitgenössischen Protagonisten. Da gibt es noch die Heiligen, die später keine Rolle mehr spielen. Noch einmal sind sie auf dem Altar von St. Martin in Meßkirch, entstanden zwischen 1535 und 1540, und jetzt in Stuttgart ausgestellt, zu bewundern. Er stand zu Beginn der Führung im Fokus.
Hintergrund dieser Pflege darstellerischer Kunst war auch, dass durch die Bilder Bildung unter das Volk kommen sollte. Eins leitet sich schon in der Wortbildung vom anderen ab. Die unteren Schichten, nicht alphabetisiert in dieser Zeit, konnten nur so etwas von dem lernen, was über das alltägliche Dasein und den Kampf ums Überleben hinausging.
Hier kann nicht der gesamte Ablauf der Führung geschildert werden. Zu deren Abschluss ging es zum Gothaer Tafelaltar. Er wurde um 1538 für das Stuttgarter Schloss geschaffen. Zu der Zeit war die Gegenreformation Geschichte. Noch einmal zurück: 1517 war Württemberg reformiert. Aber Herzog Ulrich von Württemberg, einer der Protagonisten der Reformation, wurde 1519 vertrieben. Württemberg stand unter der Herrschaft Habsburgs. Die katholische Lehre wurde wieder eingeführt. Aber nicht für lange - es gab außenpolitischen Ärger: Die Türken vor Wien. Folge - der Kaffeegenuss konnte gern als Relikt der orientalischen Besatzer bleiben, die selbst mussten aber vertrieben werden. Die Habsburger standen zu Haus unter Druck und hatten da viel zu tun. Sie konnten sich in Württemberg nicht halten. 1534 lebte in Stuttgart die Reformation wieder auf. In die Zeit danach fällt die Entstehung des Gothaer Tafelaltars, das bilderreichste Werk der Altdeutschen Malerei und bei der Führung im Detail erklärt und angeschaut. Wie er nach Gotha gekommen ist??? Jedenfalls ist er als Teil der Ausstellung zurückgekehrt. Er zeigt, wenn man genau hinschaut, zusammen mit den biblischen Motiven auch die Stiftskirchen von Herrenberg und Tübingen. Die rückwärtigen Tafeln, in ungeheurer Vielfalt, nur von der Kanzel her gut zu sehen und auch abzulesen, haben jeweils oben Texte zur biblischen Geschichte in Deutsch oder, zutreffender, Schwäbisch. Heilige kommen nicht mehr vor. Wie war das noch - von den Bildern her kommt die Bildung unters Volk...
Dessen Angehörige im 21. Jh., die an der Führung teilgenommen hatten, waren hungrig geworden. Zum Glück ist das Restaurant, in dem die Plätze fürs Mittagessen reserviert waren, nicht ganz weit von der Staatsgalerie entfernt. Wer wollte, konnte auch noch an einem Bummel über den Stuttgarter Weihnachtsmarkt teilnehmen, bevor es zurück nach Herrenberg ging.
Wie Bezirksvorsteher Klaus von Bank in einem Gottesdienst im Gäu in diesen Tagen sagte: Die einen bevorzugen die für die etwas Älteren angebotenen Kaffeenachmittage, die anderen die Kultur. Wichtig ist die Einheit untereinander, die Vielfalt nicht ausschließt. (Und manche mögen auch beides, Kultur und Kaffeeplausch, Anmerkung der Autorin des Berichts.)