Die Mitglieder der acht Gäugemeinden waren zum Gottesdienst eingeladen.
"Von guten Mächten wunderbar geborgen ..."
mit dem Spielen einer Vertonung dieses Textes von Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945) begann die Instrumentalgruppe des Bezirks Tübingen gegen 9.00 Uhr ihre musikalische Einstimmung auf den Gottesdienst. Wer sich auf den von äußerst ungemütlichem Novemberwetter - Temperaturen um den Gefrierpunkt herum, Graupelschauer und Windböen - begleiteten Weg in die Kirche begeben hatte, konnte sich dort, freundlich begrüßt, in einer angenehm temperierten Kirche mit musikalischer "Ansprache" sehr wohl schon äußerlich wunderbar geborgen fühlen.
Ein Text aus Paulus` Brief an die Römer, das Kapitel ist überschrieben "Frieden mit Gott", bestimmte den Inhalt des Gottesdienstes. "Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird." (Röm 5, 1 u. 2). Der Gäuchor hatte zu Beginn des Gottesdienstes gesungen: "Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses ..." (Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 107, Text Ps 26, 8 u. 95, 6). "Wir haben lieb den Ort, wo unser himmlischer Vater uns so nah ist. Und wenn man etwas lieb hat, dann setzt man entsprechend seine Prioritäten.", begann der Bischof. Ganz bewusst, im Glauben geschieht das. Der ist kein "Kleid", das man sich eben mal überzieht, wenn man nicht weiter weiß. Glauben erleben wir jeden Tag, wenn er in uns lebt. Wie sieht der Glaube in uns wirklich aus?
"Genau darauf gibt Paulus in dem eingangs verlesenen Text eine Antwort. Heute erleben wir den letzten Sonntag im Kirchenjahr. Am Ende eines Zeitabschnitts stellt sich oft die Frage nach dem Entscheidenden dessen, was war." Die nach den "Letzten Dingen", um die es nicht nur am Ende des Kirchenjahrs, dem letzten Novembersonntag geht, den evangelische Christen als Totensonntag begehen. Für einen Studenten endet nach einigen Semestern "ganz plötzlich" sein Studium. Ist es wirklich schon so weit, fragt er sich. Dann konzentriert man sich auf das Wesentliche, das Examen mit den Prüfungsaufgaben. Im Glaubensleben, was ist das Entscheidende, was glaubst du wirklich?
Da ist die freudige Hoffnung auf Jesus` Wiederkunft. Heiniger erinnerte an die Entwicklung, die sich insoweit seit 30/40 Jahren im neuapostolischen Glaubensleben vollzogen hat. Seinerzeit war auch die Naherwartung der Wiederkunft Christi lebendig. Eng verknüpft damit, so dem Unglück entkommen zu können, das sich auf der Erde ausbreiten würde. Später kam das Element der Liebe hinzu: Ich will Jesus sehen, wie er ist. Und heute: Wir wollen seine Wiederkunft erleben, bei ihm sein. Das möge schnell geschehen, damit sein Friedensreich kommt, in dem jedem Christus` Evangelium verkündet werden kann. Die Glaubensschwerpunkte früherer Zeiten sind geblieben und Neues ist hinzu gekommen.
Im Folgenden vertiefte Heiniger Schwerpunkte des Textworts: Frieden haben und erleben - es kam wieder das Bild des Studenten in Examensnöten. Er hat Stress und der erleichtert ihm nicht die Lösung seiner Examensaufgaben. Auch im Glauben brauchen wir Ruhe und Frieden, Freiheit von äußeren Bedrängnissen, um uns wirklich Gott zuwenden zu können. Ihm unsere Sorgen anvertrauen, im Wissen, dass sie dort gut aufgehoben sind. Als Jesus gekreuzigt worden war, machten sich seine Jünger selbstverständlich große Sorgen. Aber immer, wenn er in ihre Mitte kam, hatten sie Frieden. Bedeutet für uns, zu wissen, Jesus ist da im Gottesdienst. Das möchte ich erleben und darum lege ich alles andere beiseite.
Durch Jesus im Glauben Zugang zur Gnade haben - es öffnet sich eine Tür. Ist das wichtig für mich? Wie erlebe ich Gnade? Kann ich es wertschätzen, Glaubensgeschwister zu haben? Kann ich über das Menschliche hinweg schauen und im Nächsten ein Gotteskind sehen? Der Verstand kann, sogar zu Recht, Vieles bemängeln. Aber, auch mein Nächster ist erwählt dazu, im himmlischen Friedensreich mitzuwirken. Auch die Segensträger sind Menschen mit ihren eigenen Problemen. Und trotzdem, im Glauben kann ich immer wieder Gott durch sie erleben.
Was wir wirklich werden sollen, ist in uns angelegt. Wir rühmen uns der Hoffnung, der Zukunft, die Gott geben wird. Jeder hat seine Lieblingsspeise. Und wird sie wahrscheinlich anderen als das Beste empfehlen, was es überhaupt gibt. Ist es auch so im Glauben? Jesus wird wiederkommen - ist das für mich das Größte und Wichtigste?
Wann kommt der Sohn Gottes? Das weiß nur der himmlische Vater. Zeit und Stunde wird er nicht nennen. Daher: Wacht und seid jeden Tag bereit. Wenn ich erkannt habe, was für mich entscheidend ist, dann konzentriere ich mich darauf und lebe danach. Zukunftsfragen wie, was wohl wird, was noch kommen kann - unerheblich. Vielmehr: Ich will Zugang zu den Gnadengaben haben. Ich will jetzt warten, bis der Herr kommt.
Evangelist Klausjürgen Zahn, Tübingen, erinnerte sich, wie oft schon in Kindertagen die Frage aufkam, wann der Herr wohl kommen würde. Ihm sei bewusst geworden, dass nur wichtig ist, überhaupt danach zu fragen, dass es die Wiederkunft Christi gibt. Interesse daran haben und im Glauben leben. Um daran zu bleiben, dafür ist Liebe die edelste Motivation.
Der heutige Totensonntag, verbunden mit der Frage nach den Letzten Dingen, eine schwere Kost? Nein. Mit Feuer und Begeisterung sich damit befassen. Sie sind etwas, worauf wir uns freuen können: In Jesus` Arme zu fallen und glücklich zu sein, für alle Zeit.
"Ist mein Glaube für mich eine schwere Last?", vertiefte der Bischof den Gedanken. Als Amtsträger, ist es eine Last, Werkzeug Gottes zu sein? Worauf konzentriere ich mich - auf etwaige Opfer oder auf den Glauben?" Als Erstes das Reich Gottes sehen. Das ist nicht weltfremd. Der Zugang zu den göttlichen Gnaden steht weit offen und ist kein "Nadelöhr". Jesus hat die Sündenlast für uns getragen. Mit aller Bitternis: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Jetzt besteht die Möglichkeit, Kraft durch das Heilige Abendmahl zu bekommen. "Lasst uns alle Belastungen, alle Wünsche ins Vaterunser legen. Dann öffnet sich die Tür zur Gnade."
Zum Abschluss spielte das Orchester noch einmal das Lied von den guten Mächten. Das griff der Bischof mit Dank an die Musizierenden, Spieler und die drei sich abwechselnden Dirigenten, auf: "Heute haben wir zwar Totensonntag mit dem Gedenken daran, dass das Leben endlich ist. Aber von guten Mächten nehmen wir, was kommen mag: Jesus ist für mich da!"
Welche Strophen des Lieds bzw. Gedichts "gespielt" wurden? Da konnte sich jeder beim Zuhören die für ihn passende heraussuchen. Zitiert sei hier die siebte und letzte:
"Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag."