Glaubensgeschwister aus den Bezirken Albstadt und Tübingen sorgen für ein volles Gotteshaus.
"Ich bin hier, Herr, meinst du mich Herr?
Hör ich nicht dein Rufen in der Nacht?
Führst du, Herr, mich, will ich gehen.
Meines Bruders Hüter will ich sein.
(Refrain Lied Nr. 388, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Text und Musik Daniel I. Schutte, geb. 1947)
Dieses Lied hatte mit Klavierbegleitung ein großer gemischter Chor zu Beginn des Gottesdienstes gesungen. Ein Chorgesang, der vermuten ließ, es habe im Vorfeld viele gemeinsame Übungsstunden der Albstadter und Tübinger Senioren gegeben, wie es nach dem Gottesdienst hieß. War aber keineswegs so. Um wie "ein" Chor zu singen, hatten die SängerInnen keine einzige Probe gebraucht.
"Zuallererst ein herzliches Willkommen in einer Gottesdienstgemeinde, die sich vom Durchschnittsalter etwas vom sonst üblichen unterscheidet", begrüßte der Apostel alle, die die gewiss nicht kleine Ofterdinger Kirche bis auf den letzten Zusatzstuhl gefüllt hatten. "Hier bin ich, Herr - die Antwort auf das Rufen des Herrn.", ging Schnaufer auf das gerade verklungene, eingangs zitierte Lied des Chors ein. Gerade die Amtsträger im Ruhestand werden sich daran erinnern, das Rufen Gottes. Und ihre Reaktion darauf: Meinst du wirklich mich? Ich soll derjenige sein, der diese Aufgabe übernimmt? Bei bangen, existenziellen Fragen wie Krankheiten, wenn man sich fragen muss, werde ich wieder gesund oder in besonderen Situationen, wenn man den Partner verliert und nicht weiß, ob man diese Trauer je überwinden wird. Warum ich? Gott hat Verständnis für solche Fragen. Auch sein Sohn fragte vor dem Opfertod, ob dieser "Kelch" nicht an ihm vorübergehen könne. Und sagte doch "ja" dazu. Stand bis zum Ende alles durch und hat so die Voraussetzungen für unsere Erlösung geschaffen. Und damit auch die Grundlage dafür, "ja, ich bin hier" sagen zu können, mit reinem Herzen, wenn Gott uns ruft.
Darum ging es auch im Textwort des Gottesdienstes. Das Kapitel, dem es entnommen ist, ist überschrieben: Abraham, der Vater des Glaubens. "Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark im Glauben und gab Gott die Ehre und wusste aufs allergewisseste: `Was Gott verheißt, das kann er auch tun`" (Röm 4, 20 u. 21).Paulus nimmt Abraham in seinem Brief an die Römer als Vorbild. Er hat an Gott geglaubt und das ist ihm angerechnet worden. Er wusste, wenn ich gerecht werden kann, dann nur durch Gnade, nicht durch mein persönliches Verdienst.
Letztlich ist immer der Glaube gefordert, das Vertrauen in Gott. Das Leben bringt ständig Veränderungen, mit denen der Mensch umzugehen hat. Unsere Kirche - sie ist anders als noch vor 30 oder 40 Jahren. Aber es gibt eine Konstante: Alles, was geschieht, beruht auf Gottes Liebe zu seinen Kindern. Diese Sicherheit ist nie anders geworden. Jesus` Versprechen, zu seinem Vater zu gehen, aber wiederzukommen, um die Seinen zu sich zu nehmen, bleibt gültig. So, wie Gottes Liebe, die uns in die Gemeinschaft mit ihm führen wird.
Abraham sollte alles hinter sich lassen und in ein Land gehen, das Gott ihm zeigen würde. Es ging ihm doch gut. Warum weggehen? Wohin? Wozu? Das blieb offen. Aber er lernte, Schritt für Schritt, wie ein Weg daraus wurde. Er erlebte etwas völlig Irrationales: Seinen Sohn Gott opfern sollen. Dessen Geburt ein Wunder gewesen war. Abraham verfiel nicht in normales menschliches Denken: Er hätte es getan. Er rang mit Gott um die Menschen in Sodom und Gomorrha. Er wollte nicht, dass andere leiden müssen. Er, den Paulus im Brief an die Römer als Vorbild nimmt, hatte ein unerschütterliches Gottvertrauen. Sein Glaube gab ihm unbändige Kraft.
Wir erfahren das auch. Sicher, die Dinge wenden sich nicht über Nacht zum Guten. Aber die Erfahrungen über einen längeren Zeitraum hinweg zeigen: Es ist letztlich doch gut geworden. Eine große Gefahr, vor der auch Paulus warnt, ist, innerlich auf Distanz zu gehen zu dem, was aktuell geschieht. In unserer Kirche wurden in den 1950er/60er Jahren Gemeinden gegründet. Das muss doch auch heute gehen? Gott führt sein Werk auch heute, auch wenn Manches anders geworden ist. Dessen können wir gewiss sein. Die daran arbeiten, sind auch heute Werkzeuge in seiner Hand.
Eine Gewissheit unseres Glaubensbekenntnisses ist, dass Jesus seine Kirche führt und regiert. Immer und nicht nur dann, wenn es meinen Vorstellungen entspricht. Der Herr steht zu seinem Wort. Das "Wie" ist seine Sache. Wir glauben, "dass" er es tut. Wie nehme "ich" sein Wort wahr? Der Glaube kommt aus der Predigt. Es kann keinen Glauben geben, wenn man die nicht annimmt. Der Herr wird seine Verheißung erfüllen, das wusste schon Petrus. Ob wir jetzt schon alles richtig verstehen können, das ist nicht maßgebend. Jesus fragte, ob es bei seiner Wiederkunft noch Glauben geben werde. Die Antwort muss sein: Aber ja! Ich weiß, woran ich glaube."Lasst uns danach leben. Den Wert der Gottesdienste richtig würdigen. Als Vorbild für die Jüngeren: Ich erlebe da den Herrn. Werde durch seine Gnade selig. Gott nimmt mich ernst, hält mich in seiner Hand, lässt mich nicht aus den Augen." Die Jahrhunderte, die seit seiner Verheißung, wiederzukommen, verstrichen sind, machen deren Erfüllung nicht unwahrscheinlicher. Vielmehr haben sie uns ihr näher gebracht. Gott wird tun, was er zugesagt hat.
Die beiden Jüngsten der anwesenden Amtsträger aus beiden Bezirken sollten zum Gottesdienst beitragen. Dieses "Schicksal" traf zuerst Evangelist Rüdiger Gollmar aus dem Bezirk Albstadt. Der sich das am frühen Morgen so nicht vorgestellt hatte, wie er eingangs leicht schmunzelnd erwähnte. So, wie man sich vielleicht auch manche Veränderung in der Kirche nicht vorgestellt hat. Aber immer noch gibt Glaube Mut, Sicherheit und inneren Frieden. Wir können uns auf Gott verlassen.
Evangelist Carsten Dehninger aus dem Bezirk Tübingen schilderte das Bild vom breiten und schmalen Weg. Er beschrieb ein Gemälde, auf dem beide dargestellt werden. Der breite, der am Ende ins Elend führt. Der schmale, an dessen Ende der Künstler eine idyllische Landschaft zeigt. Kurz vor dem Ende der beiden Wege hat er einen kleinen Verbindungsweg zwischen beiden gemalt. Den man in der einen wie der anderen Richtung gehen kann. "Nicht kurz vor dem Ziel den schmalen Weg zur falschen Seite hin verlassen", so zum Schluss der Appell des Evangelisten.
"Äußerlich sind Sündenvergebung und die Feier des heiligen Abendmahls nichts Spektakuläres.", leitete der Apostel zum Höhepunkt des Gottesdienstes über. Vergeben können... Als Jakob gestorben war, seine schützende Hand nicht mehr über sie halten konnte, hatten Josephs Brüder Angst, er könne nun Vergeltung an ihnen üben für das, was sie ihm angetan hatten. Nichts dergleichen hatte der im Sinn. Er konnte vergeben. Und wir? Haben wir das Recht über andere zu urteilen? Jesus hat niemanden verurteilt. Gemeinsam stehen wir vor dem Herrn. Manches fällt schwer zu vergeben. Aber wenigstens den Willen dazu aufbringen. Gott hat den Blick von oben darauf. Ein ehrliches Bemühen um Vergebungsbereitschaft kann er erkennen.
Am Ende des Gottesdienstes stand der Dank des Apostels für "offene Herzen, alle Gebete und das Mitwirken im Gottesdienst". Es sei zu spüren gewesen, dass Teil der Gemeinde an diesem Sonntag auch die waren, die schon in der Ewigkeit sind. Und die, die auch dazugehören, obgleich sie alters- und krankheitsbedingt nicht mehr hatten kommen können. An die Amtsträger im Ruhestand gewandt, hieß es: "Ihr predigt zwar nicht mehr. Aber dadurch, dass ihr in der Gemeinde da seid, könnt ihr anderen Vorbild sein und Orientierung geben."