Eine große Gemeinde aus Gottesdienstbesuchern von nah und fern freut sich mit Gerlinde und Horst Kleemann über das Ehejubiläum.
"... Zeit, in der der Segen fließt, Stunde voller Ewigkeit, Ahnung künft`ger Herrlichkeit."
(aus Vers 4, "Halleluja! Schöner Morgen", Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche Nr. 105, Text Jonathan Krause, 1701 - 1762)
Dieses Lied hatte die Gemeinde zu Beginn des Gottesdienstes gesungen. Eine Gemeinde, die sich so, in dieser Zusammensetzung, noch nie in Nebringen eingefunden hatte. Das stellte Bezirksvorsteher Klaus von Bank, der den Gottesdienst leitete, gleich zu Beginn fest. Angehörige und Freunde des "goldenen Paars", Glaubensgeschwister aus anderen Gäugemeinden, sie alle sorgten für ein volles Gotteshaus an einem nassen, kühlen, windigen letzten Oktobersonntag 2017. Einer der Nebringer Priester hatte vor Beginn des Gottesdienstes den Besen in die Hand genommen und im Eingangsbereich der Kirche noch einmal das Laub zusammengekehrt. Ob das Sinn machte stehe dahin, dessen war er sich bewusst. Aber die Nebringer wollten "ihrem" Horst und "ihrer" Gerlinde einen rundum schönen Festtag bereiten. Dazu trugen auch die Mitglieder der (rein weiblichen) Instrumentalgruppe bei, die nach und nach vor dem Gottesdienst eintrafen. Das klappt in Nebringen wie selbstverständlich: Erst spielten die Organistin und Pianistin allein, dann kam die Geigenspielerin dazu, danach eine Flötistin ... und so, mit fließendem Übergang, gestaltet sich die komplette Spielgruppe (fast) wie von selbst.
"Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden (4. Mose 6, 24 - 26), so lautete das zu Beginn verlesene Bibelwort. "Ein lange geplantes Fest, das wir hier heute miteinander haben dürfen.", begann der Bezirksälteste. Und alles andere als selbstverständlich, dass es tatsächlich stattfinden kann. "Dazu gibt es viel zu viele Unwägbarkeiten im menschlichen Leben. Umso schöner, dass wir alle heute Morgen hier zusammenkommen konnten." Auf das Bibelwort für den Gottesdienst eingehend, hieß es, der Herr ist es, der segnet. Der Mensch kann dem Nächsten den Segen nur wünschen. Und Segensübermittler sein, ein Werkzeug Gottes, um dessen Segen zu überbringen.
Im Alten Testament wirkte sich Gottes Segen im Irdischen aus: Das Volk Israel wurde trotz aller Schwierigkeiten durch die Wüste geführt. Gott hat sie versorgt und bewahrt. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass der, dem es gut geht, Gottes Segen hat, und der, dem es schlecht geht nicht, ist nicht richtig.
Jesus hatte in seinem irdischen Leben Lichtblicke und Niederlagen. Auch wer eine Last zu tragen hat, kann Gottes Zuwendung erleben. Bei Jesus gab es auch mal irdischen Segen, z. B. den Reichen Fischzug. Da zeigte sich exemplarisch: Er ist Gottes Sohn. Er kann im Natürlichen etwas ändern. Entscheidend ist aber, dass mit Jesus der geistige Segen begann. Der nicht so leicht zu erkennen ist wie der irdische. Ersterer setzt den Wunsch voraus, gesegnet zu werden. Er liegt im Wort Gottes, das Trost und Erkenntnis gibt.
Auf den besonderen Hochzeitstag in der Gemeinde eingehend, wurde das Beispiel einer Partnerschaft zweier Menschen genannt: Wie wertvoll und wichtig ist es da, miteinander zu reden und so einander zu helfen. Ein großer Reichtum und ein Segen. Aber auch ohne Worte kann man sich im gemeinsamen Schweigen nahe sein.
Ein Segen ist die Gotteskindschaft. Eine Gabe, mit der eine Aufgabe verbunden ist. Ich bin auserwählt. Aber das muss sich auch auswirken. Sonst wäre die Gabe nichts wert. Gnade und Vergebung sind Gaben, die wir nicht aus eigenem Vermögen erringen. Sie sind eine Zuwendung Gottes. Die birgt göttliche Kraft in sich. Was wir tun können, ist anderen zu vergeben und, ganz entscheidend, Gottes Segen auch annehmen. Und wachsam sein: Zweifel zerstört alles, den Glauben, das Vertrauen und die Gottesfurcht. Gott muss uns vor uns selbst schützen, vor unseren Schwächen. Sich nicht selbst überschätzen. Ein Dämpfer kann da gelegentlich ganz gut sein.
Zuletzt ein Appell des Bezirksvorstehers: Wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen werden, dann gibt es nur Frieden und Freude. Aber wir können heute schon einen Zustand wie in der Herrlichkeit schaffen, wenn wir bereit sind, uns in der Gemeinde für ein friedvolles Miteinander einzusetzen. Mit unserer Bereitschaft dazu und Gottes Segen kann das gelingen.
Werner Lampprecht, stellvertretender Vorsteher des Bezirks Tübingen, ging noch einmal auf den geistigen Segen ein, um den es im Neuen Testament geht. Ein Trugschluss ist es, vom äußeren Erscheinungsbild auf "Segen oder kein Segen" zu folgern. Wie wird Segen definiert? Dazu hatte sich der Bezirksevangelist mit dem Katechismus befasst. Fundstelle Artikel 4.6 (Katechismus der Neuapostolischen Kirche). Segen wird dort als Zuwendung Gottes definiert, womit der dem Menschen Kräfte verleiht. Nichts Spektakuläres, kein Blitz vom Himmel und auch kein "Zaubertrank". Aber die Fähigkeit, durch das Vordergründige hindurchzuschauen und Gottes Segen zu erkennen vermögen. Dieser geistige Segen, der möge mit allen sein. Lampprecht ging auf den Altarschmuck ein: Unter anderem ein "angerostetes" Herz. Und trotzdem - angerostete Kunstwerke bleiben Kunstwerke. Sie sind so stabil, dass der Rost nicht an ihre Substanz geht. "Wir sind dankbar, dass wir eine Zukunft haben dürfen." Und an das "goldene" Brautpaar gewandt: "Wir freuen uns mit euch, dass ihr den Segen haben dürft."
Das Thema Rost griff der Bezirksvorsteher bei der Überleitung zur Feier des Heiligen Abendmahls auf: Da wird, wenn wir es wollen, alles wieder "blank poliert". Und zwar so, dass es wirklich getilgt, verschwunden ist. Bei Gott ist das Gewesene nicht mehr vorzufinden. Der Mensch tut sich oft schwer damit, zu vergeben. Das ist nachvollziehbar. Gott kennt, wie es mal formuliert wurde, die ganze Geschichte jedes Einzelnen. Er wird dessen Möglichkeiten richtig einordnen können.
Nach der Feier des Heiligen Abendmahls trat das Ehepaar an den Altar, um den Segen zum Ehejubiläum zu bekommen. Ein rein weibliches Gesangsquartett sorgte mit Begleitung am Klavier für die feierliche Einstimmung. In englischer Sprache wurde der Dank für die vergangenen 50 Jahre Gott entgegengebracht, verbunden mit dem Rühmen der Treue des Herrn. "Ihr lieben beide, ich freue mich, diesen Tag zu erleben. Ihr habt Gottes Segen erbeten." Da könnte die Frage aufkommen, wieso überhaupt - reicht der Segen zur grünen Hochzeit vor 50 Jahren nicht so lange? Der Katechismus war auch an dieser Stelle zu Rate gezogen worden (12.2.32). Danach ist der Segen zu einem Ehejubiläum kein Muss, aber, wenn es der Wunsch des Paars ist, dann wird auf den Ehebund erneut der Segen Gottes gelegt. Von Bank resümierte die "Stationen" einer Ehe: 25 Jahre, da ist so ein Höhepunkt, viel geschafft, vielleicht das Meiste, und jetzt könnte es vielleicht nicht immer weiter bergauf gehen, andere Richtungen werden konkreter. Und nach 50 Jahren - im "Alter angekommen", dessen viel zitierte Beschwernisse werden konkreter... ein neuer Segen kann dann ein starkes Bedürfnis sein.
Der Bezirksvorsteher würdigte das Glaubensleben der Beiden, ihr Wirken in der Gemeinde und darüber hinaus. Der Ehemann als Priester, seine Frau auch gemeindeübergreifend als Religionslehrerin, jetzt als Dirigentin des Chors 60+ im Bezirk und als Organisatorin der Kulturtage 50+. Da gibt es Ausflüge im Großraum Stuttgart zu Ausstellungen und Besichtigungen von Sehenswertem.
Der Segen lässt wohl auch Stationen zu, die nicht so schön sind: Krankheit, Not und Sorgen. Da ist nichts einklagbar. Aber gerade dann brauche ich Kraft und Vertrauen, die soll der Segen vermitteln. "50 Jahre Ehe - keine Selbstverständlichkeit. Und alle, die heute gekommen sind, wünschen euch dazu Segen. Den sollt ihr bekommen!" Noch einmal ging es um das rostige Herz - die Liebe zueinander lässt einen den Lappen nehmen, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Rost wegpoliert wird. Überhaupt - ein Wunder, die Liebe. Ehepartner, sie können völlig verschieden voneinander sein. Und trotzdem funktioniert die Gemeinschaft. "Das ist Gottes Schöpfung. Dieses Wunder dürft ihr erleben, auch in Zukunft, miteinander. Alles Gute weiterhin!"
Gemeindevorsteher Hilmar Stockinger lud im Auftrag der Eheleute nach dem Gottesdienst zu einem gemeinsamen Umtrunk ein und nutzte die Gelegenheit zu einem herzlichen Dankeschön: "Ihr seid eine Bereicherung für die Gemeinde!"
Und noch einmal traten die vier Sängerinnen nach vorn, vom Bezirksältesten schmunzelnd als die "Nebringen Sisters" bezeichnet. Frisch, fetzig, fröhlich, fromm besangen sie die Liebe, denn:
"Alles wird vergehen, die Liebe bleibt, die Liebe bleibt bestehen!"
Ein letzter Wischer der den Gesang begleitenden Pianistin über die Tasten, und der verdiente Applaus für die "Nebringen Sisters" war nicht mehr zu bremsen.